Fragestellung: Die Therapie von Patienten mit Tumorerkrankungen im finalen Krankheitsstadium soll,
soweit möglich und vom Patienten gewünscht, im außerklinischen Umfeld erfolgen. Aber
wann wird ein Patient zu einem Palliativpatienten, wann erhält er eine allgemeine
und wann eine spezielle Palliativversorgung? Ist die Situation eskaliert, wird häufig
der Notarzt involviert. Kann der Notarzteinsatz ein Indikator für die Verordnung spezieller
Palliativversorgung sein? Methode: In Bielefeld (330.000 Einwohner, 3 Notarztstandorte) wurden 2.486 Notarzteinsatzprotokolle
aus dem Jahr 2006 des Notarztstandortes Gilead am EvKB in Bethel auf Palliativpatienten
hin analysiert (Kriterien waren eine protokollierte Tumordiagnose und die klinikinterne
Anschlusstherapie). Ergebnisse: 57 Tumorpatienten wurden identifiziert (2,3%). Hiervon verstarben 5 vor Ort, 3 wurden
erfolgreich behandelt. 49 Patienten wurden ins Krankenhaus eingewiesen, 18 (37%) verstarben
dort im weiteren Verlauf, darunter 9 am Aufnahmetag (50%). Von diesen 9 Patienten
waren bei 6 Patienten (66%) Metastasen bekannt (gegenüber 55% bei den eingewiesenen
49 Patienten). Zu 80% konnte der Hausarzt nicht erreicht werden. Arztbrief, Patientenverfügung
oder Pflegeakte lagen bei 18% der 57 Patienten vor. Hauptsymptome waren Luftnot (n=26),
neurologische Symptome (n=19), Schmerzexazerbation (n=9) und Blutung (n=3). Die durchschnittliche
Krankenhausverweildauer betrug 6,7 Tage (max 48d, min 1d). Apparative Diagnostik erfolgte
bei 20%, invasive Therapie (z.B. Thoraxdrainage, Beatmung) bei 12% der Patienten.
Schlussfolgerung: 1% einer Bevölkerung ist sterbend und etwa 10% der Sterbenden benötigen eine spezielle
Palliativmedizin [1]. Für Bielefeld wären dies 330 Patienten pro Jahr. Extrapoliert
auf die insgesamt 7.300 Einsätze der drei Bielefelder Notarztstandorte in 2006läge
die Zahl der im Rettungsdienst notärztlich zu versorgenden Palliativpatienten bei
167 pro Jahr. Hiervon dürften etwa 50% eine spezielle Palliativbehandlung benötigen,
vorliegend aufgrund metastasierender Tumorerkrankung. Unbefriedigend ist, dass ca.
16% der Patienten – wie auch vorliegend – offenbar zum Sterben in ein Krankenhaus
verlegt werden. Verantwortlich hierfür sind unzureichend verfügbare Dokumentationen
und fehlende palliativmedizinische Aspekte in der Notarztausbildung. Grundsätzlich
könnte der Notarzteinsatz als Indikator für eine spezielle Palliativverordnung gelten.
Literatur: [1] Statistisches Bundesamt 2006