Psychother Psychosom Med Psychol 2008; 58(12): 479-480
DOI: 10.1055/s-0028-1090040
Nachruf

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Prof. Dr. phil. Claus Bahne Bahnson

15. September 1922 – 21. September 2008Prof. Dr. phil. Claus Bahne BahnsonSeptember, 15th 1922 – September, 21th 2008Hubert  Speidel
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Publikationsdatum:
18. November 2008 (online)

Prof. Dr. phil. Claus Bahne Bahnson

Claus Bahne Bahnson studierte von 1940–1951 in Kopenhagen zunächst Medizin bis zum Physikum, dann Psychologie und absolvierte dort von 1949–1953 eine psychoanalytische Ausbildung. Von 1953–1955 setzte er in Harvard seine Studien bei Gordon Allport und Henry A. Murray fort und schloss nach 2 Jahren 1956 an der Universität Rochester die Promotion zum Dr. phil. ab. Von 1958–1960 vollendete er seine psychoanalytische Ausbildung in Boston bei Felix Deutsch, Peter Knapp und J. C. Kaufmann. In den Jahren von 1954–1960 bekleidete er verschiedene Positionen, u. a. in Rochester, New York und an der Boston University Medical School. Von 1959–1970 war er Associate Professor an der University of Connecticut, von 1963–1969 Professor am Jefferson Medical College in Philadelphia, wo er den Consultation-Liaison-Service für Psychoonkologie leitete. In Philadelphia war er auch Begründer und Leiter der Psychoonkologie- und Hospizabteilung des Fox Chase Cancer Center, eine von mehreren Psychoonkologie- und Hospizeinrichtungen in den USA, die er als erster gründete. Von 1968–1980 war er Direktor des Department of Behavioral Sciences, Research and Training am Eastern Pennsylvania Psychiatric Institute. 1981 wechselte er als Professor für Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Familienmedizin an die University of California, San Fransisco School of Medicine, wo er bis zu seiner Übersiedlung nach Deutschland 1988 forschte und lehrte. Er war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften, u. a. der New York Academy of Sciences, des International College of Psychosomatic Medicine, der Academy of Psychosomatic Medicine. Er war Präsident des National Institute for the Seriously Ill and the Dying von 1977–1987, weiter Gründungsmitglied der American Society for Preventive Oncology, der UCLA Task Force on Psycho-Neuro-Immunology der Academy of Sciences at Philadelphia, der Österreichischen Psychoonkologischen Gesellschaft, er war Mitglied der American Psychological Association und Member of Research Committee sowie seit 1968 Lehranalytiker der American Academy of Psychoanalysis. In 9 wissenschaftlichen Zeitschriften war er als Herausgeber bzw. Reviewer tätig.

Diese Auswahl möge als Ausweis einer außerordentlichen klinischen und wissenschaftlichen Karriere genügen. Er war auch einer der allerersten, die Psychotherapie mit Krebskranken durchführten.

Was das Unvergleichliche der Persönlichkeit Claus Bahne Bahnsons ausmachte, erschließt sich aus diesen Daten allerdings nur ungenügend. Er war in seinen Mitteilungen über sich diskret. Seine Biografie musste man aus lauter Puzzlestücken zusammensetzen. Die waren aber so reichhaltig, vielfältig und heterogen, dass manche, die ihn nicht gut genug kannten, misstrauisch waren, ob das alles sein könne. Als ich, über Jahre mit ihm freundschaftlich vertraut, in einer kleinen Tischrede an seinem 85. Geburtstag meinte, mit seinen Erlebnissen könnte man 2 Biografien füllen, da entgegnete er, er habe 3 Leben geführt: als Maler, als Musiker und als Wissenschaftler.

Claus Bahne Bahnson entstammt einem Elternhaus mit überaus starken künstlerischen Interessen. Dabei war der Vater einer der erfolgreichsten Kaufleute Kopenhagens. Er stiftete der berühmten Kopenhagener Börse, die jeder Kopenhagenbesucher wegen ihres zierlich gedrehten Turmes kennt, ein großes Fresko in der Eingangshalle, das dort heute noch zu besichtigen ist. Vor allem auch von der Mutter gingen starke künstlerische Impulse aus. Sie starb viel zu früh, an der Krankheit, die später das Hauptforschungsinteresse Claus Bahne Bahnsons werden sollte, und an der er auch selbst starb. Solche biografischen Momente sind für ihn vielfach bestimmend gewesen. Zwei davon sollen erzählt werden.

Als er seinem Vater, der ihn sehr liebte, gestand, dass es ihn doch zur Wissenschaft ziehe, da sagte dieser lachend: wenn er schon nicht in sein Geschäft eintreten und auch nicht Künstler werden wolle, dann müsse er wenigstens 2 Nobelpreise gewinnen. Dem Anspruch, der in diesem Scherz steckte, kam der Sohn in hohem Maße nach, und tatsächlich wurde er auch von einer Gruppe amerikanischer Wissenschaftler zum Nobelpreis vorgeschlagen. Ein anderes, wichtiges biografisches Moment verbirgt sich in seinem 2. Vornamen. Er verdankt ihn einem aus Husum stammenden Vorfahren, in dessen Land er schließlich zurückgekehrt ist, und der seinem kämpferischen Naturell durchaus vorbildhaft gewesen sein mag. Jener Bahne nämlich erschlug einst den dänischen König, weil er nicht unter der Fremdherrschaft leben wollte („Lever dod üs Slav” war ja auch der Wahlspruch der Dithmarscher). Als die Deutschen nämlich Dänemark besetzten, trat er der Widerstandsbewegung „Holger Danske” bei. In den Fischkuttern des Kopenhagener Fischereihafens schafften sie Juden nach Schweden. Als diese Aktion aufflog, landete Claus Bahne Bahnson im Kopenhagener Gestapo-Gefängnis, wo man versuchte, ihm durch Folter Namen abzupressen. Eine Bombe der Royal Air Force war segensreich. Aus dem zerstörten Gebäude flohen Gestapo und Häftlinge nach allen Seiten. Claus Bahnson und seine Freunde verkleideten sich nun als Hafenpolizisten und usurpierten Hafenpolizeibarkassen. Bei einem Judentransport wurde sein Boot vor der schwedischen Küste versenkt. In der novemberlichen Ostsee schloss er mit seinem Leben ab, wurde aber von einem schwedischen Boot gerettet. Seine Ausbildung zum Jagdfliegerpiloten in England wurde durch das Kriegsende obsolet. Inzwischen hatten sich die Deutschen aber am Vater gerächt und ihn enteignet.

Claus Bahne Bahnson studierte Psychologie. In seinem 2. Leben aber war er Maler, mit Ausstellungen zwischen 1936 und 1956 in Dänemark, Schweden, Frankreich und den USA, in seinem dritten war er Pianist und Dirigent, mit Konzertreisen in Europa, dem Mittleren Osten und den USA. Er war auch Komponist von Klavierwerken und einer Buffo-Oper. Sein pianistischer Lehrer war Victor Schøler, sein dirigentischer Lehrer Erik Tuksen. Er war in der Meisterklasse von Edwin Fischer und Artur Schnabel. Zwischen 1940 und 1942 publizierte er auch Gedichte.

Den Wechsel von seiner erfolgreichen Musikerkarriere zur Wissenschaft erklärte er einmal damit, er habe sein Lebensziel schließlich nicht darin sehen können, von reichen Pariser Witwen herumgereicht zu werden. Als Pianist wurde er berühmt, aber den Weltruhm errang er als einer der 3 großen Pioniere der Psychoonkologie (neben LeShan und Kissen). Auch auf dem Gebiet der psychosomatischen Herzinfarktforschung leistete er Bedeutendes. Mit dem Aufkommen der Typ-A-Forschung gerieten seine Forschungen in Vergessenheit. Erst in jüngerer Zeit, im Zuge des Niedergangs der Typ-A-Forschung, werden die Zusammenhänge der Partnerproblematik wieder ernst genommen, aber die wissenschaftliche Gemeinde weiß nicht mehr, dass Claus Bahne Bahnson zu den ersten Erforschern gehört hatte. Auch seine psychoonkologischen Arbeiten sind aus der Mode gekommen. Man hat sich darauf geeinigt, dass es zwar psychische Verlaufszusammenhänge, aber keine Entstehungszusammenhänge zwischen psychischen Faktoren und Krebserkrankung gebe. Logisch ist das nicht, denn die Psychoimmunologie wird durchaus und begründet ernst genommen. Dass Claus Bahne Bahnson mit einer Doktorandin die größte psychoonkologische epidemiologische Studie, an 30 000 Siebententags-Adventisten, durchgeführt hat, welche seine Hypothesen bestätigt, ist zumindest in Europa nicht rezipiert worden. Vielleicht entsteht mit dem methodischen Fortschritt eine Analogie zur psychosomatischen Herzinfarktforschung, aber wer wird sich dann wohl noch an den psychoonkologischen Pionier erinnern?

Claus Bahne Bahnson hat Niederlagen und Katastrophen überstanden. Er leitete, als einziger Psychologe, der Psychiatrieprofessor war, ein wissenschaftliches Forschungsinstitut mit 70 Mitarbeitern in Philadelphia. Als Ronald Reagan Präsident der USA wurde, förderte er Raketenprojekte, aber er sparte am Psychosozialen, und so schloss er u. a. Claus Bahne Bahnsons Institut.

Claus Bahnson versuchte nun einen Neuanfang an der Kalifornischen Universität, und er lehrte auch an der Universität in Herdecke.

Als die private Nordische Universität Flensburg-Neumünster 1986 gegründet wurde, ein Projekt, das perfekt in die heutige politische Landschaft mit ihrem Interesse an der engen Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein, Dänemark und Südschweden passen würde, da erschien die Wahl Claus Bahne Bahnsons zum Präsidenten wegen seiner guten Beziehungen zu Dänemark, zum Nordischen Rat und zu den USA ideal. Die Arbeit begann aussichtsreich, aber dann kam eine neue Regierung in das nördliche Bundesland. Sie hatte andere Präferenzen und schloss die Universität 1989. Vielleicht spielte dabei eine Rolle, dass in den Zeitungen ein Foto erschienen war, das ihn zusammen mit dem allseits verhassten Uwe Barschel, dem vorigen Ministerpräsidenten, zeigte. Nun beendete ausgerechnet eine sozialdemokratische Regierung, die seiner politischen Überzeugung entsprach oder doch hätte entsprechen können, dieses Projekt, für das er sich so erfolgreich engagiert hatte. Er hat später öfter gesagt, die gemeinsame Gründung des John-Rittmeister-Instituts für Psychoanalyse, Psychotherapie und Psychosomatik Schleswig-Holstein e. V. 1989, dessen Gründungsmitglied er wurde, habe ihn bewogen, nicht in die USA zurückzukehren. Er hat diesem Institut auch spezifische Akzente vermittelt: mit seinen gruppen- und familientherapeutischen Initiativen. 1992 führten wir, gemeinsam mit Bernhard Strauß, die First Baltic Sea Conference on Psychosomatic Medicine and Psychotherapy in Kiel durch, die ein großer Erfolg und von großer Bedeutung für den Beginn der wissenschaftlichen Kontakte mit den Ländern des ehemaligen Ostblocks war. Die bei dieser Gelegenheit gegründete Baltic Sea Society for Psychosomatic Medicine and Psychotherapy wählte ihn zu ihrem Gründungspräsidenten. Es folgten im weiteren Verlauf Kongresse in Lettland, Schweden und Polen. In den Kieler Jahren entfaltete Claus Bahne Bahnson eine rege internationale Kongressvortrags- und Supervisionstätigkeit in Europa und in den USA.

Seiner wissenschaftlichen und klinischen Erfahrung wegen war er überaus gefragt. Aber nicht nur deshalb: er war ein warmherziger, großzügiger, uneitler, an den Problemen seiner Patienten wie seiner Kollegen und Freunde interessierter Mensch. Er war ein Weltbürger, der in 3 Ländern zu Hause war, aber auch, wie es Weltbürgern ergeht, nicht ganz. Seine traumatischen Lebenserfahrungen ließen ihn sehr sensibel auf alles reagieren, was ihm als Relikte einer nationalsozialistischen Vergangenheit oder auch als verdächtige Vorläufer erscheinen konnte, aber er ließ es nie die Personen entgelten, mit denen er es zu tun hatte.

Bis zuletzt, als er seine Krankheit und die damit verbundenen Einschränkungen anerkennen musste, war er ein Unbeugsamer geblieben. Er hoffte, wenigstens die Supervisionstätigkeit wieder aufnehmen zu können. Von der Tüchtigkeit seiner Frau, die alles tat, um den veränderten Verhältnissen gerecht zu werden, sprach er mit größter Hochachtung. Ihr und der gemeinsamen Tochter galten seine Liebe und Sorge. Mit seinen beiden großen Kindern in den USA telefonierte er fast täglich, und es war ein Glück, dass sein Sohn Tristram bis fast zu seinem Tod bei ihm sein konnte.

Bei der Trauerfeier in der Paulus-Kirche in Kiel erklangen 3 Klavieraufnahmen mit Claus Bahne Bahnson aus den Jahren 1950–1953: die Chopin-Etüde op. 25, Nr. 7 in cis-Moll, die Schubertsche Wandererphantasie in der Bearbeitung von Franz Liszt mit den Wiener Philharmonikern und die Orgelfuge in d-Dur von Bach-Busoni.

Prof. Dr. Hubert Speidel

Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse

Eichhofstr. 14

24116 Kiel

eMail: Prof.Hubert.Speidel@t-online.de

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