Z Gastroenterol 2008; 46 - K6
DOI: 10.1055/s-0028-1096431

Leberzirrhose und chirurgische Eingriffe

KJ Paquet 1
  • 1Sanatorium Werlich-Barié, Bad Kissingen

Da mehr als 300 Millionen Menschen weltweit an einer chronischen Lebererkrankung leiden, nimmt zwangsläufig die Zahl der Leberzirrhotiker, die einen chirurgischen Eingriff benötigen, zu. Leberzirrhotiker haben nicht nur eine begrenzte Lebenserwartung sondern auch eine erhöhte peri- und postoperative Morbidität und Mortalität. Ihre Ein- bzw. Dreimonatsletatlität steigt kontinuierlich mit der Schwere der Leberfunktionseinschränkung besonders bei viszeralchirurgischen Eingriffen an. Dabei handelt es sich vor allem um einen gestörten hepatischen und gastrointestinalen Blutfluss und ausgeprägte biochemischen und metabolische Störungen, Begleiterkrankungen und einen primär reduzierten Allgemeinzustand. Ursachen sind im Detail vermehrter intra- und postoperativer Blutverlust, Thrombozytopenie mit Gerinnungsstörungen, Hypoalbuminämie, erschwerte Operationsbedingungen durch Aszites und/oder Portale Hypertension, Metabolisierungseinschränkungen infolge Leberinsuffizienz, z.B. der Anästhetika, herabgesetzte Immunabwehr und Wundheilungsstörung, um nur die wichtigsten zu nennen. Dadurch steigt entsprechend dem Schrifttum die Sterblichkeit auf 11,6–75% an. Daher raten Internisten dazu, solche Eingriffe nur anlässlich eines Notfalls vorzunehmen bzw. zu empfehlen. Dies ist jedoch der falsche Weg, wie eine Sterblichkeit von 50% bei der notfallmäßigen Cholecystektomie im Gegensatz zu 5–10% beim elektiven Eingriff nachweist. Auch wenn die Zahl wesentlich höher als beim Nichtzirrhotiker liegt, kann sie bei Beachtung wichtiger Faktoren deutlich vermindert werden. Zusätzlich kann sogar durch einen solchen elektiven Eingriff die Leberfunktion verbessert werden. Dazu gehört eine exakte und umfassende präoperative Diagnostik mit Differentialblutbild, Hämoglobin, Prothrombin, Nierenfunktionspara-metern, Gesamteiweiß und Albumin, Bilirubin, Alanin-aminotransferase-Spiegel, Ernährungszustand, quantitative Leberfunktion, Vorhandensein von Aszites und/oder Enzephalopathie. Erfasst werden müssen auch die Begleiterkrankungen. Die seit Jahrzehnten bewährte Child-Pugh oder Child-Pugh-Turcotte Klassifikation A, B und C erlaubt eine ziemlich genaue Einschätzung des Operationsrisikos. Noch präzisier ist der kürzlich vorgestellte Meld-Score, der ursprünglich für die Indikation zum TIPS und später die exakte Einschätzung einer terminalen Lebererkrankung im Hinblick auf die Indikation und den Zeitpunkt der bzw. die Allokation zur notwendigen Lebertransplantation entwickelt wurde. Er enthält nur die vier Faktoren Bilirubin, INR, Kreatinin und die Ätiologie der Leberzirrhose. Befeler et al. (Arch. Surg 140:650(2005)) haben kürzlich den Wert dieses Scores an über 700 Leberzirrhotiker nachgewiesen und darüber hinaus gezeigt, dass dieser Score einschließlich des Hämoglobins das beste Modell darstellt, um die Prognose eines viszeralchirurgischen Eingriffs vorauszusagen. Bei der Operationsvorbereitung muss der kardiopulmonale und Gerinnungstatus verbessert, eine Salz- und Flüssigkeitsrestriktion durchgeführt, Enzephalopathie und Aszites behandelt und Breitbandantibiotika verabreicht werden. Zusätzlich sollte ein laparoskopischer Eingriff einem konventionellen vorgezogen werden; ist dies z.B. bei der akut perforierten Cholecystektomie nicht möglich, sollte das Gallenblasenbett entsprechend der Technik von Bornman und Terblanche (Surg 98:1(1985)) vorsorgt werden. Kontrollierte Vergleichstudien haben nämlich nachgewiesen, dass Blutverlust und Krankenhausaufenthalt signifikant niedriger beim laparoskopischen Vorgehen sind. Solche Eingriffe sollten darüber hinaus nur in auf diese Krankheitsbilder spezialisierten Kliniken stattfinden, da die prä-, peri- und postoperative Behandlung besonderes Wissen und spezielle Erfahrung anästhesiologischer und hepatologischer Provenienz voraussetzt. Der Nachweis einer Leberzirrhose darf daher nicht mehr als Kontraindikation zum chirurgischen Vorgehen, auch bei größeren Eingriffen angesehen werden. Der Eingriff sollte möglichst nach optimaler Diagnostik und Vorbehandlung unter Berücksichtigung der bewährten Indikations- und Klassifikationskriterien elektiv und laparoskopisch in Spezialkliniken erfolgen. Noteingriffe müssen unbedingt vermieden werden. Bei Beachtung dieser Kriterien können nicht Morbidität und Mortalität gesenkt sondern auch die Leberfunktion postoperativ ebenso wie die Lebenserwartung positiv beeinflusst werden. Eine optimale peri- und postoperative Therapie durch ein spezialisiertes Team wird die Früh- und Spätergebnisse weiter verbessern.