Zusammenfassung
Der unfreiwillige, jetzt fast 2 Jahre anhaltende Verzicht auf die generelle Tuberkuloseschutzimpfung
der Neugeborenen hat die Möglichkeit eröffnet, zu beobachten, wie sich die Tuberkulose-Epidemiologie
bei den Säuglingen gestaltet, wenn man die Impfung auf Kinder aus erkennbar offen
tuberkulösem Milieu beschränkt. Die seitherige Entwicklung der Erkrankungshäufigkeit
bei den Säuglingen gibt zumindest zu denken. Allein in den ersten 12 Monaten nach
dem Aussetzen der Impfung hat sie sich im Vergleich zu den beiden Jahren davor im
gesamten Bundesgebiet verdoppelt. Fast durchweg sind die Infektionen durch Erwachsene
erfolgt, die nicht als ansteckungsfähig galten. Als Konsequenz aus diesen Ereignissen
drängt sich die Forderung nach einer großzügigeren Indikation für die »gezielte Impfung«
und nach einem Aufschub aller »endgültigen« Entscheidungen auf, die die Einstellung
der generellen Impfung zum Ziele haben, bis eine längere Expositionszeit bei den ungeimpften
Kindern zu übersehen ist.
Summary
At the end of May 1975, BCG vaccine was withdrawn from the market in the Federal Republic
of Germany, because a newly introduced vaccine had given rise to untoward reactions.
Neonatal vaccination practically ceased. The results of a survey by questionnaire,
undertaken on behalf of the Vaccination Committee of the German Society for Social
Paediatrics, are reported. From 1. 9. 1975 to 31. 8. 1976 the incidence of tuberculosis
in the first year of life had already doubled compared with the reported annual rate
in both 1973 and 1974. Almost all cases were due to infection by adults not thought
to be infectious. It is recommended that indications for »selective vaccination« should
be broadened and the results of longer exposure time of unvaccinated children be awaited
before any stoppage of general vaccination is decided upon.