Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(51/52): 2699
DOI: 10.1055/s-0028-1105879
Kommentar | Commentary

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geschichte einer wissenschaftlichen Publikation – nur noch englische Zitate erwünscht

History of a scientific publications – only English references, pleaseB. Lemmer1 , M. Middeke2
  • 1Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Medizinische Fakultät Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
  • 2Blutdruckinstitut und Hypertoniezentrum München
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
09. Dezember 2008 (online)

Dies ist eine wahre Geschichte über den Verlauf einer wissenschaftlichen Publikation in einer internationalen, englischsprachigen Fachzeitschrift. Der Beitrag beleuchtet die Entwicklungen im Hinblick auf die „Wissenschaftssprache Englisch”.

Unser Manuskript wurde bei dem Journal NN eingereicht, von Gutachtern kritisch geprüft und nach kleineren Änderungen zur Publikation angenommen. Anschließend erhielten wir vom Herausgeber zusätzliche Hinweise zur formalen Abfassung der Publikation: Wir hatten im Literaturverzeichnis die Empfehlungen der Deutschen Hochdruckliga zur Messung des Blutdrucks (Leitlinien zur Diagnostik und Behandlung der arteriellen Hypertonie. Deutsche Hochdruckliga e. V. DHL®– Deutsche Hypertonie Gesellschaft, 2005, http://www.paritaet.org/rr-liga/Hypertonie-Leitlinien05.pdf) als Quelle aufgeführt. Der Herausgeber wies uns nun darauf hin, dass nur Literaturzitate akzeptiert werden könnten, die in einer englischsprachigen Zeitschrift veröffentlicht worden seien („References are permitted only from journals publishing fully in the English language”). Da wir auf der Literaturstelle bestanden, erhielten wir die Antwort, dass das Manuskript in diesem Fall vom Verlag zurückgezogen werden müsste („As you have insisted in not adhering to instructions … I have had no option than to withdraw your manuscript from the system. I hope you find another journal which accepts references in a non-English language”). Da wir – so unsere Antwort – in der Vergangenheit in zahlreichen englischsprachigen, englischen und amerikanischen Zeitschriften – einschließlich des in Rede stehendes Journals – ohne Schwierigkeiten mit „deutschen Zitaten” publiziert hätten, bäten wir um Entscheidung des Hauptherausgebers der Zeitschrift. So seien wohl auch grundlegende Arbeiten in nicht-englischer Sprache heute nicht mehr „zitationsfähig”, z. B. die von Riva-Rocci S. Un nuovo sfigmomanometro. Gazz Med di Torino 1896; 47: 981 – 996, in der die Verwendung des Sphygmomanometers in die Blutdruckmessung begründet wurde.

Es folgte die nächste Stufe: Erneut wurde betont, dass der Herausgeber nur eine Sprache akzeptiere könne, die überall in der Welt von Wissenschaftlern verstanden wird („The whole point is that if you want to talk to someone, you have to do it in a language that is understood. It is globally accepted that all publishing scientists are expected to be able to understand English. I fully accept that excellent work is published in German and Chinese, but I and 99 % of the reader of Nature publications can not read these and so we cannot confirm whatever the authors claim by citing the reference. The same is true of many non-English journals who publish an English abstract but whose text is not English”). Dann der phantastische Hinweis, wie der Beitrag vielleicht doch noch akzeptiert werden könnte: indem wir nur die Deutsche Hochdruckliga erwähnen, ohne sie zu zitieren („Maybe you could simply state in your text about the German Hypertension League, and not give it a reference”).

Schließlich folgte die Empfehlung, dass wir doch einfach die englischen Richtlinien zitieren sollten (J Hum Hypertens 1999 Sep;13(9):569 – 92. Guidelines for management of hypertension: report of the third working party of the British Hypertension Society. Ramsay L, Williams B, Johnston G, MacGregor G, Poston L, Potter J, Poulter N, Russell G. Cardiovascular Research Institute, University of Leicester, Sir Robert Kilpatrick Building, Leicester Royal Infirmary, UK), falls sie mit den deutschen Richtlinien übereinstimmen würden („If the guidelines of the German Hypertension Society are exactly the same as the European, British or American Societies, then simply cite them instead. Is this possible? I hope so. Our own British society guidelines were published in this very journal …” ).

Nach vielen Diskussionen stimmten wir schließlich zu, die Deutsche Hochdruckliga in unserem Beitrag zu erwähnen, ohne die Quelle zu zitieren, da ja auch das Gutachterverfahren der Zeitschrift der Publikation unserer Ergebnisse zugestimmt hatte. Der Beitrag ist inzwischen in dem „englischen” wissenschaftlichen Journal veröffentlicht worden. Angemerkt sei, dass die deutsche Verlagsgruppe Holtzbrinck Inhaber der Nature-Group ist, zu der das Journal gehört.

Kommentar

Dass die Ergebnisse nicht-englischsprachiger Studien international nicht ausreichend zur Kenntnis genommen werden, ist bekannt (DMW 2008; 133: 230-234). Das dargestellte Beispiel verdeutlicht, wie die Politik der Herausgeber internationaler Fachzeitschriften aktiv zum Phänomen des Sprach-Bias beiträgt. In der DMW sind wir der Auffassung, dass bei einer Quellenangabe nicht die Sprache, sondern die inhaltliche Bedeutung Vorrang besitzt – und so werden wir dies auch in Zukunft handhaben.

DMW Redaktion

Prof. Dr. med. Dr. h. c. Björn Lemmer

Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie Medizinische Fakultät Mannheim, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

Maybachstr. 14

68169 Mannheim

Telefon: 0621/383 9704

Fax: 0621/383 9711

eMail: bjoern.lemmer@pharmtox.uni-heidelberg.de

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