physioscience 2009; 5(3): 135-136
DOI: 10.1055/s-0028-1109691
Veranstaltungsbericht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

4. Clinical Research Forum: Qualitative oder quantitative Forschung: Überwindung eines Widerspruchs?

M. Trippolini1 , M. Scheermesser2 , M. Verra3
  • 1Rehaklinik Bellikon, Arbeitsorientierte Rehabilitation, Bellikon, Schweiz
  • 2ZHAW – Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Institut für Physiotherapie, Winterthur, Schweiz
  • 3Universitätsspital Bern, Inselspital, Institut für Physiotherapie, Bern, Schweiz
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Publication History

Publication Date:
24 August 2009 (online)

Am 9. Mai 2009 trafen sich forschende Therapeuten zum 4. Clinical Research Forum (CRF). Mehr als 50 Teilnehmende fanden sich am diesjährigen Austragungsort, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur (Schweiz) ein. Das Forum wurde von Maurizio Trippolini und Martin Verra ins Leben gerufen, um forschenden Physio- und Ergotherapeuten eine Plattform zum fachlichen Austausch zu bieten. Seitdem findet das Forum jedes Jahr an einem anderen Standort statt und bietet den Teilnehmenden unter anderem die Möglichkeit, Einblick in den Forschungsalltag am jeweiligen Austragungsort des CRF zu bekommen.

Ob und wie sich qualitative und quantitative Forschungsmethoden ausschließen oder ob sie sich gar ergänzen, diesen und vielen anderen Fragen wurde in spannenden Referaten auf den Grund gegangen. 5 forschende Physiotherapeuten (Veronika Schoeb, André Meichtry, Martin Verra), 1 Ergotherapeutin (Andrea Weise) und eine Sozialwissenschaftlerin (Trudi Beck) zeigten anhand eigener Forschungsprojekte auf, welche Erfahrungen sie mit den beiden Vorgehensweisen machten. Es zeigte sich, dass ein sogenanntes Mixed-methods-Vorgehen, der Einsatz quantitativer und qualitativer Methoden einige Vorzüge bietet. In den anschließenden Workshops mit den Referenten bot sich den Teilnehmern die ideale Gelegenheit, sich in die Thematik der entsprechenden Referenten zu vertiefen. Dies wurde intensiv genutzt, wovon rege Gespräche bis weit in die Mittagspause hinein zeugten.

Das Nachmittagsprogramm eröffnete ein Beitrag von Dr. Jan Kool, Leiter Forschung und Entwicklung am Institut für Physiotherapie an der ZHAW. Anhand eines durchgeführten Forschungsprojekts für das Bundesamt für Sozialversicherung erläuterte er, welche qualitativen und quantitativen Methoden für welche Fragestellungen verwendet wurden. Seine Analyse kombinierte Dr. Kool gekonnt mit Hinweisen und Anregungen aus dem Fachpublikum.

Die Grenzen der klassischen Statistik zeigte André Meichtry, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Physiotherapie der ZHAW in seinem beeindruckenden Referat. Nach seiner Ansicht ist in der Medizin ein regelrechter „p-Wert Fetischismus” entstanden. Damit deutete er auf die Tatsache hin, dass „gute” p-Werte irrtümlicherweise für „gute” Forschung stehen. Mögliche Alternativen wären vorhanden, wie z. B. die Bayes-Methode. Dieser Ansatz ist in der klinischen Forschung noch wenig bekannt. In der Bayes-Statistik können Wahrscheinlichkeiten von Hypothesen quantifiziert werden. Ein analoges Problem besteht bereits in der Diagnostik. Wenn der Patient krank ist, interessiert ihn nicht die Wahrscheinlichkeit eines positiven Tests, sondern die Wahrscheinlichkeit von Krankheit, wenn der Test positiv ist.

Bei allen Referenten war die große Motivation, Forschung voranzutreiben und die Erfahrungen zu teilen zu spüren. Das Engagement wurde von den anwesenden Kollegen mit viel Interesse und anregenden Fragen erwidert. Neulingen bot sich die Gelegenheit, erste Kontakte in der Forschungscommunity zu knüpfen. Die 4. Austragung des CRF zeigte deutlich: eine Plattform für forschende Therapeuten fernab von Kongressstress und Postermarathon als ein Ort zum Kontakteknüpfen und Neues entstehen zu lassen, ist nach wie vor gefragt.

Die beiden Initiatoren Maurizio Trippolini und Martin Verra schlossen das Forum mit einem Aufruf an die Teilnehmer, aktuelle Themen an sie heranzutragen. Das nächste Clinical Research Forum wird voraussichtlich im Herbst 2010 stattfinden. Dazu sind alle forschenden Therapeuten herzlich eingeladen!

Abb. 1 Referenten und Initiatoren (von links): Veronika Schoeb, Jan Kool, Martin Verra, Andrea Weise, Trudi Beck und André Meichtry.

Abb. 2 Interessierte Zuhörer lauschen den Ausführungen der Referenten.

Maurizio Trippolini

Rehaklinik Bellikon Arbeitsorientierte Rehabilitation

5454 Bellikon

Schweiz

Email: maurizio.trippolini@rehabellikon.ch

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