Dtsch Med Wochenschr 1952; 77(23): 749-753
DOI: 10.1055/s-0028-1116083
Epistolae Medicinales

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Herzkrankheiten und Bluteiweißbild

F. Wuhrmann
  • Medizin. Abteilung des Kantonsspitals Winterthur-Zürich (Chefarzt: Prof. Dr. F. Wuhrmann)
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Publication Date:
23 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Sowohl das normale wie das krankhaft veränderte Bluteiweißbild sind für die Beurteilung von manifesten oder larvierten Herzerkrankungen grundsätzlich wichtig, wie überhaupt die engen, oft über die rein mechanische Stauung hinausgehenden Beziehungen zwischen Herzmuskel und Leber vermehrte Beachtung verdienen.

Dabei genügt für die Praxis meistens die Blutsenkungs-Reaktion in Verbindung mit den Labilitätsprüfungen (namentlich die Kombination von Weltmann- und Kadmium-Reaktion); bei stärkeren hämodynamischen Stauungen wird sie vorteilhaft ergänzt durch den Gesamteiweißwert im Serum.

1. Ein normales Bluteiweißbild wird als wichtiges diagnostisches Kriterium vor allem gefunden bei kompensierten Hypertonie-Herzen, kompensierten Herzklappenfehlern, kompensierten Rechtsherzen und nicht komplizierter Koronarsklerose, bei reinen Rhythmusstörungen ohne Dekompensation sowie bei der sog. neuro-zirkulatorischen Asthenie.

2. Die verschiedenen entzündlichen Herzkrankheiten und die Myokardinfarkte führen in den Frühstadien zur Vermehrung der Alpha- und Beta-Globuline, in späteren Stadien zu einer Gamma-Globulin-Zunahme, resp. bei der Ausheilung zur völligen Normalisierung (praktische Erfassung mittels der Senkungs-Reaktion und den Labilitätsprüfungen).

3. Die chronische Leberstauung auf Grund der verschiedenen Herzmuskelerkrankungen oder -störungen führt, entsprechend ihrer Stärke und Dauer, zu mehr oder weniger ausgeprägten Globulin-Verschiebungen, vor allem zu einer Gamma-Globulin-Zunahme, bei stärkeren Graden unter gleichzeitiger Ausbildung einer Hypoproteinämie, deren Ausmaß prognostisch und therapeutisch von großer praktischer Bedeutung erscheint.

4. Extrakardiale, d. h. vor allem durch primäre chronische Leber-, Nieren-, Magen-Darm-Erkrankungen oder durch länger dauernde entzündlich-infektiöse Zustände usw. bedingte, Dysproteinämien führen relativ häufig zu funktionellen und oft nur im EKG faßbaren Herzmuskelstörungen, die wir 1950 als Myokardose-Syndrom zusammengefaßt haben. Dessen Frühstadien sind anatomisch nicht immer faßbar und reversibel, während es in Spätstadien zur eigentlichen Myokardfibrose kommen kann.

5. Die häufige Kombination von primären und sekundären Bluteiweiß-Verschiebungen bei Herzerkrankungen, insbesondere auch der sog. Myokardose-Einschlag setzen beim Arzt ein gutes Differenzierungsvermögen und eine sinngemäße Verwertung des Serumeiweiß-Spektrums im Rahmen des klinischen Gesamtbildes voraus.

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