Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(50): 1694-1698
DOI: 10.1055/s-0028-1117757
Epistolae Medicinales

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Trophik in der relationspathologischen Auffassung Gustav Rickers und die Folgerung für die Therapeutik1

Victor Schaefer - Bremen 1 Nach einem vor den niederrheinisch-westfälischen Chirurgen am 7. März 1950 in Düsseldorf gehaltenen Vortrag.
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Publication Date:
29 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Es sollte gezeigt werden, wie nach der Relationspathologie Gustav Rickers nicht nur die Organfunktionen, z. B. die Muskelkontraktion und die Drüsensekretion, mit einem Vorgang im N.S. beginnen, sondern daß auch die Wachstumsvorgänge, die normalen wie die krankhaften, also die gesamten trophischen Gewebsveränderungen, mit einem Vorgang im N.S. ihren Anfang nehmen, und daß dieser Vorgang sich über Blutbahn und Blut am Gewebe auswirkt.

Wie fast alle Reize, die physiologischen und die pathologischen, am N.S. angreifen, so wirken auch die Reize der Therapie über das N.S., indem die gesteigerte Erregung (= Krankheit) einmal durch allgemeine Ruhe und lokale Ruhigstellung zum Abklingen gebracht wird, dann durch aktive therapeutische Beeinflussung gesenkt wird, entweder so, daß das Therapeutikum auf das Z.N.S. direkt erregungslindernd wirkt, oder so, daß es zunächst eine höhere Stufe der Erregung (akutes Stadium) hervorruft, und so ein rascherer Abfall erfolgt.

Diese Therapeutik würde dann auf reiner Anwendung der Physiologie beruhen und wäre in der somatischen Medizin die einzige, wenn nicht der aus Leib und Seele bestehende Mensch gleichzeitig auch eine Berücksichtigung des Psychischen verlangte. Auch für die Psychosomatik hat uns die Relationspathologie das Verständnis vermittelt, indem sie gezeigt hat, daß nicht nur die physischen Reize am N.S. angreifen, sondern daß das Zentralnervensystem, und zwar ein Teil desselben, der einzige Körperteil ist, der mit der stets in Rechnung zu stellenden Psyche Verbindung hat. Hierdurch wird die zu fordernde „Ganzheit” ausreichend berücksichtigt. Wenn heute darüber hinaus eine „Psychosomatische Medizin” das Psychische noch mehr in den Vordergrund stellt, so mag das berechtigt sein. Sie läuft aber Gefahr, den festen Boden der Naturwissenschaft zu verlassen und sich zu sehr auf den spekulativen Boden der Naturphilosophie zu begeben.

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