Dtsch Med Wochenschr 1950; 75(17): 576-580
DOI: 10.1055/s-0028-1117936
Klinik und Forschung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Das klinische Bild der epiduralen Eiterung im spinalen Raum

T. Burckhart
  • Chirurgischen Universitätsklinik Mainz (Direktor: Prof. Dr. H. Peiper)
Further Information

Publication History

Publication Date:
14 May 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Unter Anführung einer tabellarischen Kasuistik von drei eigenen und sieben weiteren Fällen der Literatur wird die Pathogenese, die Symptomatik und die Therapie der epiduralen Eiterung besprochen.

Das Krankheitsbild, das auch als Perimeningitis purulenta bezeichnet wird, entsteht durch Ansiedlung pathogener Keime im Epiduralraum entweder auf dem Wege einer penetrierenden Verletzung oder durch Übergreifen eines entzündlichen Prozesses aus der Umgebung oder hämatogen und lymphogen metastatisch.

Das zeitliche Intervall zwischen dem anzunehmenden Infektionseintritt und den ersten pathognomonisch verwertbaren Symptomen ist häufig recht kurz und liegt meistens zwischen 2 und 28 Tagen.

2. Die Krankheitserscheinungen zeigen besonders anfänglich eine auffallend schnelle Progredienz. Subjektiv stehen zu Beginn fast regelmäßig lumbagoähnliche Schmerzen im Rücken, „im Steiß” oder in der Wirbelsäule, die sich rasch bis zur Unerträglichkeit steigern. Es folgen mehr oder weniger charakteristische Beschwerden in der Beweglichkeit der Wirbelsäule, gelegentlich auch mit einem subjektiven Schweregefühl und Parästhesien der Beine.

Von Seiten der Wirbelsäule finden sich lokale Klopfempfindlichkeit, Stauchungsschmerz und Bewegungseinschränkung, manchmal kombiniert mit einer lordotischen oder kyphotischen Zwangshaltung in der Mehrzahl der Fälle. Weichteilschwellungen, lokale Rötungen und Ödeme sind nur unter der Voraussetzung eines Durchgangsweges von dem Epiduralraum bis in die oberflächlichen Schichten zu erwarten.

Verhältnismäßig frühzeitig treten Meteorismen, Blasen- und Mastdarmfunktionsstörungen, sowie Dekubitalgeschwüre auf.

Die neurologischen Ausfallserscheinungen sind sehr vielgestaltig und oft in ihren einzelnen Erscheinungsbildern schnell wechselnd. Motorisch entwickeln sich anfänglich meist spastische Hemi- und Paraparesen, besonders der unteren Extremitäten mit Pyramidenbahnzeichen. Später nehmen die Lähmungen dann oft schlaffen Charakter an, gelegentlich mit Aszension. Die Sensibilitätsstörungen gehen über anfangs auftretende Parästhesien und Hyperästhesien in den Endstadien der Erkrankung bis zur kompletten Anästhesie. Die Ausdehnung des Krankheitsherdes im Epiduralraum reicht oftmals wesentlich über die Höhe des nach dem neurologischen Befund anzunehmenden Bereiches hinaus. Nackensteifigkeit und positiver Lasègue vervollständigen das neurologische Bild. Der Liquorbefund ist nicht einheitlich und nur im positiven Falle verwertbar.

Röntgenologisch sind auch bei später nachgewiesenen, einschmelzenden Knochenprozessen der Wirbelsäule bei den bisher beschriebenen Fällen Veränderungen nicht sichtbar gewesen.

Der positive Ausfall des Myelogrammbefundes erleichtert die Diagnosestellung, ein negativer Ausfall kann jedoch nicht als Gegenbeweis gegen das Vorliegen einer Perimeningitis purulenta angesehen werden.

Temperatur, Blutbild und BSG entsprechen dem vorliegenden entzündlich-eitrigen Prozeß.

3. Die Therapie kann nur chirurgisch sein. Das Ziel der Operation ist die Freilegung des Epiduralraumes und möglichst radikale Entfernung und Ausräumung des Krankheitsherdes. Die Dura wird geschlossen gehalten. Die Wunde mit Sulfonamiden oder Penicillin beschickt und offen gelassen oder höchstens mit Situationsnähten versorgt.

4. Die Prognose ist auch bei frühzeitiger und radikaler Operation — nach den bisher gemachten Erfahrungen — als sehr ernst zu bezeichnen.

    >