Dtsch Med Wochenschr 1936; 62(3): 101-102
DOI: 10.1055/s-0028-1120625
Ärztliche Fortbildung

© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

A. T. 10 bei essentieller Thrombopenie

Werner Jaffé in Falkenberg (Mark)
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Publication Date:
05 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Bei einem Jungen, der an einer chronischen schleichenden Form einer essentiellen Thrombopenie leidet, zeigt sich nach unbefriedigenden Behandlungsversuchen mit Clauden-Serum-Kalk und etwas besseren Erfolgen mit Vigantol-Lebertran-Kalkbehandlung eine deutliche Besserung des Allgemeinbefindens mit gleichzeitigem sprunghaftem Hochschnellen der Thrombozytenzahlen und schlagartigem Heruntergehen der verlängerten Blutungszeit auf normale Werte bei Behandlung mit A. T. 10 (Holtz), das den Kalzinosefaktor der Bestrahlungsprodukte des Ergosterins enthält. Während die günstige Beeinflussung von Thrombozytenzahl und Blutungszeit kurz nach A. T. 10-Eingabe fast gleichzeitig auftritt, scheint zur Aufrechterhaltung der Besserung nicht unbedingt ein derartig ausbalanciertes Verhältnis dieser beiden Faktoren erforderlich zu sein. Bei späterhin günstiger Blutungszeit kann die Plättchenzahl bereits wieder deutlich abgesunken sein, ohne daß im äußerlich wahrnehmbaren günstigen Bilde eine Verschlechterung einzutreten braucht. Anderseits kann die Plättchenzahl bei schlechterwerdender Blutungszeit annähernd normal sein. Eine Wirkung des A. T. 10 auf Blutungszeit und Plättchenzahl ist jedoch deutlich. Das Zusammenwirken dieser beiden Faktoren findet vielleicht in der Vermutung ihre Erklärung, daß neben der Gefäßwandwirkung des A. T. 10 nicht so sehr eine Beeinflussung der Thrombozytenzahlen als vielmehr der Plättchen funktion von Wichtigkeit sein kann. Der Bericht von Böger und Schröder (1) über Ascorbinsäurewirkung bei hämorrhagischen Diathesen weist übrigens in ähnliche Richtung. Während in letzter Zeit von Gissel (2) über 4 Fälle von erfolgversprechender A. T. 10-Behandlung bei Hämophilie berichtet wurde, schließt sich meine kurze Veröffentlichung der Arbeit Reichle (3) an, in der über einen Fall berichtet wird, der in fast allen Einzelheiten des Verlaufes zunächst dem hier beschriebenen entspricht. Der Beweis, daß es sich bei dem A. T. 10-Erfolge nicht um ein zufälliges Zusammentreffen von Arzneimittelwirkung und Spontanremission handelt, ist meines Erachtens durch die erneute Provokation der Besserung durch das Mittel bei wiedereingetretener Verschlechterung des Zustandes erbracht.

Mit dem 22. V. 1935 begann eine neue Periode hämorrhagischer Attacken; sie kündigte sich mit starken ziehenden Schmerzen im linken Unterschenkel an, an dem zunächst kein Befund zu erheben war. Später stellten sich dann mehrere kleinhandtellergroße Unterhautblutungen ein. Blutungen dieser Art waren bei dem Kranken in den letzten Jahren nicht beobachtet worden. Sie sind wohl als Vorboten einer besonders rapiden Verschlechterung anzusehen. Tatsächlich nahm der Zustand dann auch derartige Formen an, daß A. T. 10 trotz hoher Dosierung und dauernder Gaben keinen Einfluß mehr hatte. Der Kranke kam am 3. V. 1935 ad exitum, nachdem eine Bluttransfusion von den Eltern abgelehnt worden war.

Nach der vorliegenden Krankengeschichte und auf Grund der Beobachtungen anderer Ärzte ist anzunehmen, daß die leichten und mittelschweren Formen der Thrombopenie oft erstaunlich gut auf hohe A. T. 10-Gaben reagieren, daß aber die schweren Formen des Morbus Werlhof auch durch A. T. 10 nicht zu beeinflussen sind.

Es sei zum Schlusse darauf hingewiesen, daß A. T. 10 kein indifferentes Mittel ist, da es bei Überdosierung infolge Hyperkalzämie Erscheinungen ähnlich den Symptomen eines Epithelkörperchentumors (schwere Nieren- und Kreislaufschäden, metastatische Verkalkungen) machen kann. Gaben bis zu 15 ccm A. T. 10 scheinen von jedem Kranken vertragen zu werden; höhere Dosen dürfen nur mit großer Vorsicht bei gleichzeitiger Serumkalkkontrolle gegeben werden.

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