Zusammenfassung
Unter Berücksichtigung des derzeitigen Schrifttums und Durchsicht eines Krankengutes
von 231 weiblichen genuinen Epileptikern, die Schwangerschaften und Geburten durchmachten,
wird die Frage des Einflusses von Gestationsvorgängen auf die genuine Epilepsie behandelt.
Der Prozentsatz der Frauen, die durch Schwangerschaft, Geburt oder Wochenbett eine
entscheidende Verschlechterung ihres Leidens erfuhren, ist gering (7,4% des Gesamtmaterials).
Das Fortpflanzungsgeschäft stellt für epileptische Frauen ein besonderes Risiko nicht
dar. Wurden eine oder mehrere Schwangerschaften ohne nachteiligen Einfluß auf die
Krankheit überstanden, so sind in der Regel auch weitere Schwangerschaften nicht mit
der Gefahr einer Verschlimmerung der Epilepsie verbunden.
Da die Möglichkeit einer Verschlechterung der Krankheit in Einzelfällen aber doch
gegeben ist, wurde nach klinischen Anhaltspunkten gesucht, die eine brauchbare Prognosestellung
gestatten. Diese ergaben sich aus der Konstitution und dem Grad der Wesensveränderungen.
Mit einer entscheidenden Verschlechterung reagierten schwere Defektkonstitutionen
und Kranke mit ausgeprägterer Wesensänderung. Die Änderung der hormonellen Funktionen,
wie sie durch die Gestationsvorgänge bedingt sind, genügt für die Dekompensation des
Leidens allein nicht. Letztere wird erst dann hervorgerufen, wenn die infolge der
Gestation erzeugten stoffwechselmäßigen und hormonellen Funktionsänderungen auf eine
Konstitution treffen, die bereits anlagemäßig mit einer Dysfunktion der Blutdrüsen
und des Stoffwechselhaushaltes behaftet ist. Die Verschlimmerung der genuinen Epilepsie
durch Gestationsvorgänge hat die Potenzierung mehrerer Kausalfaktoren zur Voraussetzung.
Die Untersuchungen zeigen erneut die klinische Bedeutung der konstitutionellen Betrachtungsweise.