Zusammenfassung
Die experimentelle und klinische Forschung hat bewiesen, daß der Zustand der Beinamputation
einen erhöhten Erregungszustand des sympathischen Nervensystems der Beingefäße, die
schon physiologischerweise unter erhöhtem Sympathikotonus stehen, zur Folge hat. Druckwirkungen
von Beinprothesen und tiefen Gewebsnarben rufen nicht nur sympathische Nervenschmerzen,
sondern auch sympathische vasokonstriktorische Reflexe hervor, deren Reflexbogen im
Hirnstamm geschlossen ist. Die peripher ausgelöste Erregung des sympathischen Areals
im Hypothalamus ist verantwortlich für das Überspringen der Erregung auf benachbarte
Zentren der Vasomotorik anderer Körpergebiete, der Schweißsekretion, des Wasser- und
Energiehaushaltes, der endokrinen Korrelation. Für die Manifestation des Krankheitsgeschehens
in den Gefäßen des Stammhirns, in den Koronararterien oder in endokrinen Organen ist
die Mitwirkung einer rheumatischen Allergie bei einer Herdinfektion, deren Quelle
in einer chronischen Gewebsinfektion des Beinamputationsstumpfes liegt, sowie ein
endogen konstitutioneller Faktor für die Krankheitsbereitschaft (nicht aber für den
Krankheitsausbruch) bestimmend.
Diese Feststellungen erfordern u. E.:
1. daß die Begutachtungen interner Folgen von infizierten Beinamputationen, wie sie
vor allem durch Kriegsverletzungen verschuldet werden, den vorgenannten Krankheitsbeziehungen
entsprechend Rechnung tragen.
2. daß die chirurgische Behandlung von schweren Beinverletzungen, soweit irgend möglich,
sterile Amputationsstumpfverhältnisse schafft; wenn sich aber schwere Amputationsstumpfeiterungen
nicht vermeiden lassen und in den Jahren nach Beinamputation die ersten Zeichen eines
allgemeinen sympathischen Erregungzustandes einstellen, erscheint der Versuch berechtigt,
durch rechtzeitige Sympathektomie den Überleitungsweg des lokalen sympathischen Erregungszustandes
im periarteriellen Nervensystem des Amputationsstumpfes auf das Zentralnervensystem
zu unterbinden und damit weittragende interne Folgen, die sich aus dem Andauern der
Reizung des zentralen Sympathikus im Hirnstamm bei entsprechender Krankheitsbereitschaft
ergeben können, zu verhüten. Vielleicht kann auf diese Weise manchen Opfern des jetzigen
Krieges jahrelanges und durch Rentenkampf erschwertes Siechtum erspart werden!