Zusammenfassung
Die Annahme, daß Mischformen von angeborener und erworbener Säuglingssyphilis vorkommen
können, ist durch klinische und experimentelle Erfahrungen über die Möglichkeit einer
Superinfektion begründet. Ein diaplazentar kurz vor der Geburt infizierter anscheinend
gesund geborener Säugling kann durch Superinfektion während oder bald nach der Geburt
einen kutanen, einer Initialsklerose völlig gleichenden, spirochätenreichen Schanker
(Pseudoprimäraffekt) bekommen, der, von regionärer Drüsenschwellung begleitet, eine
reine akquirierte Syphilis vorzutäuschen vermag. Ob der diaplazentare oder der kutane
Stamm die Oberhand gewinnt, wird neben der Zeit wohl von der Masse des Spirochäteneinbruchs
abhängen. Derartige Doppelinfektionen, die übrigens auch durch einen ganz fremden
Spirochätenstamm (von kranker Amme, Pflegerin usw.) möglich sind, scheinen selten
zu sein. Man könnte sie im Gegensatz zu Tarnowskys „Syphilis binaria” adultorum als
Syphilis binaria infantum bezeichnen.
Zwischen Rückfallserscheinungen der angeborenen Syphilis (Heubners kondylomatöser
Rezidivperiode) und der erworbenen Syphilis der Säuglinge und Kinder ist eine schärfere
Trennung durch sorgsamere Differentialdiagnose, als sie jetzt zum Teil üblich ist,
geboten. Auch in den neuen Lehr- und Handbüchern wird diese Unterscheidung nicht genügend
berücksichtigt. Eine engere Zusammenarbeit der Frauen-, Haut- und Kinderärzte und
der betreffenden Kliniken erscheint zur Behebung derartiger Mißverständnisse und Verwechslungen
dringend wünschenswert.