Zusammenfassung
Die Bedeutung der Gastritis hat im Wandel der Zeiten größte Schwankungen erfahren.
Wenn sie in der Gegenwart wieder eine weit größere Beachtung verdient, beruht dies
auf erheblichen methodischen Fortschritten, die noch in der Entwicklung sich befinden.
Diese lassen am Lebenden jetzt häufig unzweifelhafte objektive Feststellungen zu,
erweisen die große Häufigkeit der Gastritiden chronischer Art, die selbst Jahrzehnte
ohne Achylie verlaufen können, zeigen die herdförmige, besonders die Antrumgastritis
auf wie die diffusen Formen. Neben morphologischen und sekretorischen Einteilungsprinzipien,
die sämtlich für die Klinik nicht durchgreifender Art sind, muß die schroffe Zweiteilung,
akut und chronisch, deshalb fallen, weil die häufigste Form sich äußert in akuten
Schüben auf der Basis chronischer regenerativer und reparativer Vorgänge. Die anatomischen
Kriterien sind mit den klinischen aus prinzipiellen Gründen nicht in Deckung zu bringen:
Die Form der chronischen exazerbierenden Gastritis mit ständigen Rezidiven spielt
als Begleitgastritis beim Ulkus, bei den Cholezystopathien, bei den Leberaffektionen
eine große Rolle, daneben auch als Krankheitsbild für sich. Der Beschwerdekomplex
der Exazerbationen hat oft, durchaus nicht immer, größte Aehnlichkeit mit der periodischen
Ulkusbeschwerde. Die Gastritis ist oft Ausdruck eines primären Epithelialschadens
mit sekundärer Entzündung, ausgelöst weniger vom Reiz ex ingestis als von hämatogenen
Noxen, die als unspezifische Reize sowohl bei Infektionskrankheiten als auch bei anderen
Zuständen des Zerfalls körpereigener Substanz zustandekommen. In dem Sinne ist das
Gastritisproblem Teilproblem entzündlicher Gewebsreaktion und Gewebsdisposition überhaupt.
Erkennt man die noch recht mangelhafte diagnostische Sicherung sehr vieler Fälle,
weil keineswegs der methodische Nachweis bisher ideal, ist, führt die Häufigkeit schon
jetzt objektiv erkennbarer Gastritiden zu dem logischen Schluß, daß diese Erkrankungsformen
weit häufiger bestehen müssen, als die Klinik unserer Tage sie nachzuweisen vermag.
Damit liegt Veranlassung vor, Veriegenheitsdiagnosen, wie Dyspepsie, Magenverstimmung
u. a. m. zu revidieren unter dem Gesichtspunkt, wie häufig latente Gastritiden erweisbar
sind, sei es als Krankheitsbilder für sich, sei es als Begleitzustände bei Ulkus,
Magenkarzinom, Phthise, Cholezystopathie, diffusen Leberaffektionen, Enterokolitiden
usw.
Der therapeutische Versuch, bei manifesten (objektiv nachweisbaren) und latenten Gastritiden
die Behandlung nach Art der Behandlung von Schleimhautentzündungen systematisch durchzuführen,
erscheint lohnender, als unter der Annahme einer reinen Funktionsstörung den Magen
mit Alkalien zu schädigen, diätetisch nicht zu schonen oder für solche Fälle die psychische
Behandlung in den Vordergrund zu stellen.