Dtsch Med Wochenschr 1911; 37(21): 964-969
DOI: 10.1055/s-0028-1130692
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber Nierentuberkulose1)

 Barth in Danzig 1) Nach einem im Aerztlichen Verein zu Danzig gehaltenen Vortrage.
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Publication Date:
06 July 2009 (online)

Zusammenfassung

  1. Die Möglichkeit einer spontanen Ausheilung in Fällen von sog. Tuberkelbazillenausscheidung durch die Niere oder auch bei knötchenförmiger (geschlossener) Nierentuberkulose ist anzuerkennen. Dagegen ist auf eine solche Heilung nicht zu rechnen, sobald eitriger Zerfall der tuberkulösen Herde und Pyurie (offene Nierentuberkulose) eingetreten ist, da sich der Prozeß alsdann erfahrungsgemäß durch die Lymphbahnen in der Niere einerseits und mit dem Harnstrom in den Harnwegen anderseits unaufhaltsam verbreitet. Der Nachweis der Heilung einer solchen Nierentuberkulose ist nur durch wiederholten Harnleiterkatheterismus zu erbringen. Alle anderen Beobachtungen hierüber sind trügerisch und wertlos.

  2. Die Nephrektomie bei einseitiger Nierentuberkulose ist, den Nachweis der normalen Funktion der anderen Niere vorausgesetzt, eine nahezu ungefährliche Operation.

  3. Solange die Erkrankung auf eine Niere und ihren Harnleiter beschränkt ist, gibt die Nephrektomie durchaus günstige Aussichten für eine Dauerheilung der Tuberkulose innerhalb der Harnwege. Ist die Blase bereits erkrankt, so ist eine völlige und dauernde Heilung des tuberkulösen Prozesses nur in einem Bruchteil der Fälle (schätzungsweise Œ) zu erwarten. Ungefähr ebensoviel gehen im ersten Jahr an Tuberkulose zugrunde, für die übrigen ist eine wesentliche und länger dauernde Besserung zu erwarten (bei meinen Operierten in fünf Fällen nach 1Œ, 1œ, 1Ÿ, 2 und 9 Jahren festgesetellt, während fünf Kranke nach 2, 3œ, 5, 5 und 9œ Jahren an Nieren- oder anderweitiger Tuberkulose gestorben sind.)

  4. Die Blasentuberkulose hinterläßt auch nach völliger Ausheilung dauernde Beschwerden in Gestalt häufigen Harndranges, der besonders des Nachts sehr störend ist.

  5. Deshalb ist jede offene Nierentuberkulose mit Nephrektomie zu behandeln, und zwar nach Möglichkeit zu einer Zeit, in der die Blase noch nicht ergriffen ist.

  6. Die offene Nierentuberkulose ist im Beginn und in den Frühstadien nur mit Hilfe des Harnleiterkatheters zu erkennen, da die Chromozystoskopie nur bei vorgeschrittener Zerstörung einer Niere Aufschluß über den Sitz der Erkrankung gibt. Der Harnleiterkatheterismus ist deshalb grundsätzlich ebenso wie die bakterioskopische Untersuchung des Harns für jede ätiologisch nicht aufgeklärte Pyurie („Blasenkatarrh”) zu fordern.

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