Zusammenfassung
Unsere Erfahrungen bestätigen zunächst die allgemein anerkannte Tatsache, daß die
Senkung bei fieberhaften Erkrankungen beschleunigt ist, wie dies auch von Fahräus,
Linzenmeier u.a. schon mitgeteilt wurde. In 9 Fällen ging parallel oder folgte der
Zunahme der Senkung der Temperaturabfall und gleichzeitig eine Besserung im Befinden
der Patientinnen. Bei drei Frauen blieb trotz erhöhter Temperatur die Senkung unverändert,
die Frauen fühlten sich ohne Behandlung am andern Tag wieder wohl und waren fieberfrei,
Häufig ließ sich die Zunahme der Senkungszeit schon früher feststellen, als der Temperaturabfall,
als Zeichen der abklingenden Erkrankung, eintrat. Die Beobachtungszeiten der Blutkörperchensenkungszeit
bezogen sich auf 2, 4 und 6 Stunden nach Einverleibung des Heilserums. An den folgenden
Tagen nahm die Senkung wie bei gesunden Wöchnerinnen zu. In der Tatsache, daß bei
höherem Hämoglobingehalt und relativ höherem Eiweißgehalt des Blutserums die Senkung
verlängert ist, dürften weitere Erklärungen für das Phänomen der Agglutinabilität
der Erythrozyten gegeben sein und die Annahme der älteren Autoren eine neue Stütze
finden.
Wenn ich nun zum Schlusse in der Veränderung der Senkung einen prognostischen Wert
erblicke, so bin ich mir bewußt, daß mein Beobachtungsmaterial viel zu gering ist,
um damit einen Lehrsatz aufzustellen. Immerhin glaubte ich diese Tatsache nicht unerwähnt
lassen zu sollen und möchte mit dieser Abhandlung heute nur die Anregung geben, der
eingehenderen Untersuchung des Blutes und insbesondere dieser beschriebenen Erscheinung
von den erwähnten Gesichtspunkten aus mehr Beachtung zu schenken. Die Bestätigung
meiner Beobachtung von anderer Seite dürfte dann ein leichtes und darum willkommenes
prognostisches Hilfsmittel für die allgemeine Medizin werden. In der Gynäkologie hat
uns die genaue Beobachtung der Senkung bei entzündlichen Genitalaffektionen schon
manchen guten Fingerzeig bei der Frage vorzunehmender Operationen gegeben.
Neuerdings hat Grafe für die Frühdiagnose der Tuberkulose in der Veränderung der Senkungsgeschwindigkeit
der Erythrozyten einen unterstützenden Faktor gefunden. Er sah bei Tuberkulinreizdosen
von 0,03—0,1 mg Alttuberkulin, bei Dosen also, die noch kein Fieber hervorriefen,
schon einen Einfluß auf die Senkungszeit, und das, wie er mitteilt, „zu einer Zeit,
in der Allgemeinbefinden und Lokalbefund noch nicht affiziert wurden”.