Dtsch Med Wochenschr 1916; 42(23): 691-695
DOI: 10.1055/s-0028-1135184
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Zur Behandlung der Steckschüsse des Gehirns

Privatdozent  Brandes (Kiel)
  • Aus dem Feldlazarett 11 des Garde-Reservekorps. (Chefarzt: Oberstabsarzt Dr. Kroner.)
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Publication Date:
14 July 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Bei der Indikation zum operativen Eingriff bei Steckschüssen des Gehirnes (nicht des Schädeldaches) müssen wir scharf trennen zwischen Mantelgeschossen und Artilleriegeschossen.

Gehirnsteckschüsse von Mantelgeschossen werden nur operativ angegriffen, wenn drohende oder begonnene Infektion oder zunehmende Erscheinungen von Hirndruck einen Eingriff erfordern. Sonst verhalten wir uns konservativ bei allen diesen Steckschüssen.

2. Umgekehrt greifen wir jeden Schrapnell- oder Granatsplittersteckschuß im Gehirn sofort operativ an, auch wenn wir nicht die Aussicht haben, die Kugel sofort bei der Operation entfernen zu können.

3. Die Ansicht Holbecks, daß die Schrapnellsteckschüsse des Gehirns ihre Kraft mit dem Durchschlagen des Schädeldaches erschöpft haben und daher die Kugel sich häufig in 2—3 cm Tiefe des Gehirns noch vorfindet, kann ich nicht bestätigen, weder nach den bisherigen Beobachtungen noch nach Sektionsbefunden.

4. Die von Bier mitgeteilte Methode, durch Schläge gegen den Kopf bei entsprechender Lagerung des Patienten die Kugel herausfallen zu lassen, hat uns in drei Fällen, wo wir das Verfahren versuchten, im Stich gelassen.

5. Verschiedene theoretische Ueberlegungen lassen auch dieses Verfahren wenig aussichtsreich erscheinen; es kann außerdem nicht als harmlos angesehen werden; schonender ist jedenfalls das vorsichtige Eingehen mit dem behandschuhten Finger, um die Kugel zunächst zu tasten und dann herauszuziehen.

6. Wird die Kugel in erreichbarer Tiefe des Gehirns nicht gefunden, so beschränken wir uns auf die Offenhaltung der Zertrümmerungshöhle des Gehirns durch Tamponade, um einer einsetzenden Enzephalitis den Weg nach außen offen zu halten. Symptomatische Prolapse lassen sich erfolgreich angreifen; die Enzephalitis muß entsprechend behandelt, der Stiel des Prolapses durch weitere Fortnahme von Knochen befreit werden.

Sekundär wird sich auch die Entfernung des Steckgeschosses dann noch erfolgreich gestalten lassen und der Patient genesen können.

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