Dtsch Med Wochenschr 1922; 48(41): 1375-1376
DOI: 10.1055/s-0028-1136128
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Ueber das Indikationsgebiet der Chlorkalziumtherapie

Paul Bernhard
  • Aus der Inneren Abteilung des St. Marien-Hospitals in Mülheim (Ruhr). (Chefarzt: Dr. M. John.)
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Publication Date:
23 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Aus dem, was eben über die Beeinflußbarkeit bestimmter krankhafter Zustände durch intravenöse Kalziumzufuhr gesagt werden konnte, darf wohl so viel mit Bestimmtheit gefolgert werden, daß das Kalzium unbedingt auf vagotonische Erscheinungen, insbesondere auf das Bronchialasthma einzuwirken vermag. Auch das Lungenödem war in fast allen Fällen sozusagen mit der Sicherheit eines Experimentes durch eine intravenöse Kalziuminjektion zum Verschwinden zu bringen, stellte sich aber in der Regel nach einiger Zeit wieder ein, und dann war es durch eine weitere intravenöse Kalziuminjektion nicht mehr beeinflußbar. Ob die Einwirkung des Kalziums auf das Lungenödem, die immerhin unter 22 Fällen dreimal dauernd und somit lebensrettend war, als Beweis dafür anzusehen ist, daß das Kalzium tatsächlich, wie angenommen, gefäßabdichtende Eigenschaften besitzt, lasse ich dahingestellt. Exsudát- und Oedembildung konnten jedenfalls durch Kalzium nicht in erkennbarer Weise vermindert werden. Ebensowenig war in den beobachteten Fällen eine dämpfende Wirkung auf Reizzustände im zentralen und peripherischen Nervensystem zu erkennen. Schließlich kam es auch durchaus nicht in allen Fällen von Blutungen durch Kalzium zum Stillstand der Blutung.

Wenn das Kalzium in therapeutischer Hinsicht nicht das leistet, was man nach rein theoretischen Erwägungen von ihm hätte erwarten dürfen, so ist zu bedenken, daß bei der flüchtigen Kalziumwirkung, worauf auch Curschmann hinweist, eine Dauerzufuhr des Mittels angestrebt werden muß, daß weiter die Blutalkaleszenz in hohem Grade die Kalkwirkung beeinflußt. Die Kalkretention ist nach Loew der Blutalkaleszenz direkt proportional. Schließlich erhebt Loew gegen die intravenöse Zufuhr größerer Kalziummengen deswegen Bedenken, weil danach vorübergehend eine Abschwächung der Blutalkaleszenz stattfinde und die Kalziumwirkung beeinträchtigt werden könnte. Jedenfalls wird man auf alle diese Dinge achten müssen, und auf der Abteilung sind Versuche im Gange, die Frage der Dosierung und der möglicherweise notwendigen Kombination von intravenöser und peroraler Applikation eingehend zu klären.

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