Dtsch Med Wochenschr 1933; 59(45): 1689-1693
DOI: 10.1055/s-0028-1141697
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Vorzüge und Nachteile der Milchsterilisation

(klinische und experimentelle Untersuchungen)1 W. Catel
  • Aus der Universitäts-Kinderklinik in Leipzig. Direktor: Prof. Catel
1 Nach einem Vortrag, gehalten in der Medizinischen Gesellschaft zu Leipzig am 18. VII. 1933.
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Publication Date:
06 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Klinische und tierexperimentelle Untersuchungen über den Einfluß des Erhitzens von arteigener und artfremder Milch auf das Gedeihen menschlicher und tierischer Säuglinge führten zu folgenden Hauptergebnissen:

1. Der arteigenen Milch kommt ausnahmslos ein größerer Anschlagswert zu, wenn sie roh anstatt sterilisiert oder autoklaviert verabfolgt wird. (Angabe einer Formel, die gestattet, die Größe des Anschlagswertes zahlenmäßig darzustellen.)

2. Artfremde Milch (Kuhmilch) bewirkt im Ziegenversuch in der Mehrzahl der Fälle einen besseren Gewichtsansatz, wenn sie sterilisiert anstatt roh verfüttert wird. Ernährung der Tiere mit hochgradig erhitzter (autoklavierter) Kuhmilch hat in der Regel Nichtgedeihen und schließlich völlige Kachexie zur Folge.

3. Das Erhitzen der arteigenen oder artfremden Milch führt häufig zu Schädigungen in anderer Richtung:

Bei Aufzucht von Frühgeburten mit sterilisierter Frauenmilch war nicht nur die Gewichtszunahme geringer, sondern auch die Mortalität größer als bei Aufzucht mit roher. Als Todesursache wurden meistens Durchfallsstörungen festgestellt, die häufig mit Bronchitis bzw. Bronchopneumonie kombiniert waren.

Bei Ernährung junger Ziegen mit sterilisierter Kuhmilch (gelegentlich auch bei Ernährung mit sterilisierter Ziegenmilch) trat wiederholt eine manifeste, zum Tode führende Spasmophilie auf. Weiterhin wurden auch Durchfälle beobachtet.

4. Die Ursache dieses Sterilisationsschadens kennen wir noch nicht. Ansäuern der arteigenen Milch vor dem Erhitzen mit Milchsäure führte zu keiner Verbesserung der Gewichtszunahme.

5. Auch Stoffwechseluntersuchungen (Ziegenversuche) zeigen, daß die biologische Wertigkeit der arteigenen Milch durch das Erhitzen herabgemindert wird (Verschlechterung der Ausnutzung von Eiweiß, Fett und Kohlenhydraten vom Darm aus, tiefgreifende Störungen im Mineralstoffwechsel).

6. Zugabe von „Vitaminen” zur autoklavierten Kuh- oder Ziegenmilch führt bei jungen Zicklein sehr häufig zu einer bedeutenden Verbesserung des Wachstums.

Auch das durch ausschließliche Ernährung mit autoklavierter Ziegenmilch gestörte Stoffwechselgetriebe kann durch Zufütterung von Vitaminen nach vielen Richtungen hin wieder normalisiert werden.

7. Kuhmilch darf an menschliche Säuglinge niemals in rohem Zustande verfüttert werden (Gefahr der Verunreinigung mit Tuberkelbazillen oder Kolibakterien). Am besten ist es, die Milch erst kurz vor dem Genusse abzukochen. Ist dies nicht durchführbar, so muß eine einwandfreie Sterilisation (Soxhletverfahren) gefordert werden.

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