veterinär spiegel 2009; 19(03): 121
DOI: 10.1055/s-0029-1186163
editorial
Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG Stuttgart

Liebe Kollegin, lieber Kollege

Thomas Steidl
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Publication Date:
11 September 2009 (online)

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„Where have all the flowers gone?“ ist einer der ganz frühen Antikriegssongs, der von Pete Seeger geschrieben und in viele Sprachen übersetzt wurde. Die Idee dazu stammt übrigens aus Mikhail Sholokovs Gedicht „Und still fließt der Don“. Auf Deutsch sang Marlene Dietrich „Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben?“

Wer heute den Stellenmarkt des „Deutschen Tierärzteblatts“ liest, wird feststellen, dass sich die Anzahl der Anzeigen, die eine Assistentenstelle in der Praxis anbieten (Ausgabe Juni 2009: 11 Seiten), im krassen Gegensatz zu den Interessenten befindet, die eine Stelle suchen (Ausgabe Juni 2009: 3 – aber nicht 3 Seiten, sondern 3 einsame Anzeigen!).

Auch Praxen und Kliniken, die vor Jahren niemals eine Stelle ausschreiben mussten, weil sie ihren Bedarf aus Praktikanten oder dem persönlichen Umfeld abdecken konnten, kommen mittlerweile um eine offizielle Ausschreibung nicht herum. Namhafte Kliniken werben hier mit „familiärer Atmosphäre“, „modernster Ausstattung“, „geregelten Arbeitszeiten“, „systematischer Weiterbildung“ oder gar „längerfristigen Perspektiven“. Flachbildschirme oder Urlaubsreisen auf Praxiskosten werden bisher noch nicht ausgelobt. Dafür werden bereits professionelle Personalbeschaffer, sogenannte Headhunter, aktiv und inserieren im „Grünen Heinrich“ für ihre Kunden, die offensichtlich gerne dafür bezahlen, wenn ein Assistent herbeigeschafft wird. Und dennoch ist der „Markt abgeräumt“, hört man landauf, landab von Praxisinhaberinnen und ‒inhabern, die intensiv und ohne Erfolg nach geeigneten Mitarbeiterinnen suchen.

Dabei geht es schon seit Längerem beileibe nicht mehr nur um die Großtierpraxis, die aus nachvollziehbaren Gründen unter zunehmend weiblichen Berufsanfängern Schwierigkeiten hat, Aufmerksamkeit für ein interessantes, aber auch körperlich sehr hartes Arbeitsfeld zu wecken. Nein, der Nachwuchsmangel hat die Kleintier- und Pferdepraxen erreicht, in denen doch eigentlich genau das gemacht und verlangt wird, weshalb der Großteil von uns Studium und Beruf gewählt hat.

Diese Entwicklung macht Angst.

Also, where have all the flowers gone – Wohin gehen die erfolgreich geprüften Kolleginnen und Kollegen nach ihrem Staatsexamen? In welchem Bermudadreieck verschwinden unsere Nachwuchskräfte nach der Uni, bevor sie gegebenenfalls als Neuniederlassungen wieder auftauchen?

Der Großteil der Absolventen unserer Unis verschwindet offensichtlich in fachfremde Bereiche, übt den Beruf des praktischen Tierarztes nicht aus und steht damit dem Berufstand nicht mehr zur Verfügung. Das ist schlecht, denn die Qualität der tierärztlichen Leistungen wird damit auf lange Sicht betrachtet nicht gefördert. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Praxen und Kliniken werden sich auf Dauer schwer tun, ihre Leistungen im gewohnten Umfang und gewohnter Qualität zu erbringen. Das System der Weiterbildung in der Praxis, das zu qualifizierten Mitarbeitern und später eben auch zu gut ausgebildeten Praxisinhabern führt, kann nur dann funktionieren, wenn genügend junge Leute bereit sind, als Assistenten zwischen Examen und Niederlassung in fremden Praxen zu arbeiten und dort Routine und Erfahrungen zu sammeln.

Was könnten die Gründe sein, weshalb junge Kolleginnen und Kollegen nicht mehr als Praxisassistenten arbeiten wollen? Schlechte Bezahlung? Die Praxen und Kliniken, die Mitarbeiterinnen suchen, wissen schon lange, dass man mit „peanuts“ keine guten Mitarbeiter finden oder gar binden kann. Schlechte Weiterbildungsmöglichkeiten? Selbst Praxen und Kliniken mit der Weiterbildungsmöglichkeit zum Fachtierarzt klagen darüber, dass sie nicht mehr wie noch vor Jahren aus einem Pool von motivierten und engagierten Stellenbewerbern auswählen können. Unregelmäßige Arbeitszeiten? Das ist in der Tat ein systemimmanentes Manko, das sich, was Wochenend-, Feiertags- und Nachtdienst anbelangt, wohl kaum mit dem Freizeitanspruch fester Arbeitszeiten in Einklang bringen lässt. Aber sollte nicht jeder Student im ersten Semester verinnerlicht haben, dass man als Tierärztin auch dann arbeiten muss, wenn andere in der Sonne liegen? Oder sollte es den Studienanfängern nicht klar sein, dass sich unser Beruf, so wunderbar er auch sein mag, nicht ausschließlich montags bis freitags von 9.00–18.30 Uhr ausüben lässt?

Bieten wir Abiturientinnen und Abiturienten vor ihrer Entscheidung, Tiermedizin zu studieren, genügend Möglichkeiten, den Beruf des Tierarztes auch aus einer anderen Perspektive als der der reitsportbegeisterten Pferdenärrin oder des engagierten Tierfreunds zu beurteilen? Haben wir die richtigen Studienbewerber ausgesucht, die bereit sind, in der Praxis zu arbeiten und dort das zu lernen, was die Uni einfach nicht vermitteln kann? Ist der Abiturdurchschnitt ein ausreichendes Selektionskriterium, darüber zu entscheiden, wer Tiermedizin studieren darf und wer nicht?

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Mit freundlichen Grüßen


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