Dtsch Med Wochenschr 1920; 46(11): 285-287
DOI: 10.1055/s-0029-1192515
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Der jetzige Stand der Lehre von der Beziehung des Magenkarzinoms zum Magengeschwür1)

G. E. Konjetzny
  • Aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Kiel. (Direktor: Geh.-Rat Anschütz.)
1) Mit diesem Aufsatz eröffnen wir die Reihe der in Nr.3 S. 80 angezeigten Aufsätze. D. Red.
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Publication Date:
14 July 2009 (online)

Zusammenfassung

Die auffallende Verschiedenheit in der Ansicht über die Häufigkeit des Ulkuskarzinoms ergibt sich aus Irrtümern bei der Beurteilung sowohl klinischer als auch anatomischer Befunde. Es ist falsch, bei einem vorliegenden sicheren Magenkarzinom etwa aus der langen Anamnese und dem Nachweis freier HCl darauf zu schließen, daß das Karzinom sich auf dem Boden eines Magenulkus entwickelt hat. Nur die kritische Verfolgung des Schicksals der durch Operation oder sonst klinisch sichergestellten Ulkusträger kann geeignet sein, zur Klärung der Frage nach der Häufigkeit des Ulkuskarzinoms beizutragen.

Alle pathologisch-anatomischen Mitteilungen, die sich auf nur makroskopisch gestellte Diagnosen oder auf eine mangelhafte mikroskopische Untersuchung bzw. eine falsche Beurteilung mikroskopischer Befunde stützen, müssen als gänzlich ungeeignet ausscheiden, wenn wir eine einigermaßen klare und sichere Vorstellung von der tatsächlichen Frequenz des Ulkuskarzinoms gewinnen wollen. Das betriff den größten Teil der vorliegenden zahlenmäßigen Angaben, weil sich diese eben nur auf unvollkommene anatomische Untersuchungen, wenn nicht gar auf falsch gestellte Diagnosen stützen. Die meisten Mitteilungen von Ulkuskarzinomen entsprechen wenig oder gar nicht den kritischen Anforderungen, welche an die Diagnose „Carcinoma ex ulcere” gestellt werden müssen.

Bei Berücksichtigung der erwähnten Schwierigkeiten in der Beurteilung ist se selbstverständlich, daß eine zahlenmäßige Angabe über die Häufigkeit des Ulkuskarzinoms, die Anspruch auf eine absolute Richtigkeit hätte, nicht zu machen ist. Wenn wir aber eine einigermaßen sichere Vorstellung von der tatsächlichen Frequenz des Ulkuskarzinoms gewinnen wollen, so müssen wir von den beweiskräftigen Fällen ausgehen. Aus den für unsere Frage maßgebenden klinischen und pathologisch-anatomischen Mitteilungen ist zu schließen, daß sichere Fälle von Ulkuskarzinom, selbst wenn wir einen reichlichen Spielraum nach oben nehmen, in höchstens 3—5% der überhaupt beobachteten Magenkarzinome festgestellt worden sind. Berücksichtigen wir die auch bei gründlicher anatomischer Untersuchung möglichen Fehlerquellen, so wäre de Zahl höchstens auf das Doppelte zu schätzen. Wir dürfen aber dabei nicht vergessen daß wir bei dieser Rechnung bereits den Boden tatsächlicher Feststellungen verlassen haben und eine bloße Vermutung aussprechen.

Immerhin ergibt sich aus dem Gesagten, daß die Häufigkeit des Ulkuskarzinoms meist wesentlich überschätzt worden ist.

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