Dtsch Med Wochenschr 1926; 52(9): 356-358
DOI: 10.1055/s-0029-1200758
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Experimentelle Studien mit Syphilis- und Rekurrensspirochäten. II.: Die Sterilisierung mit Salvarsan und die Beziehungen der Immunität zur Persistenz der Spirochäten bei experimenteller Rekurrensinfektion der Mäuse

R. Prigge - Assistent am Institut für experimentelle Therapie
  • Aus dem Georg Speyer-Haus und dem Staatlichen Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M. (Direktor: Geheimrat W. Kolle.)
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Publication Date:
21 August 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Die experimentelle Rekurrensinfektion der Mäuse verläuft mit zwei bis vier Rezidiven und führt nach deren Abklingen zu einer Immunität, die durch die negativen Ergebnisse der Reïnfektion nach Ablauf der spontanen Erkrankung nachweisbar ist. Diese Immunität beruht nicht auf Anwesenheit von überlebenden Spirochäten, sondern ist eine echte aktive Immunität. Für echte Immunität spricht schon das Auftreten von Antikörpern, während man bei „Infektionsimmunität” Antikörper nicht findet.

2. Spirochäten im Zentralnervensystem werden a) nach Abklingen der spontanen Erkrankung mit Rezidiven nur ganz selten, b) nach Sterilisierung durch Salvarsan nie gefunden. Findet man dagegen nach ungenügender Salvarsanbehandlung noch Spirochäten im Gehirn, so lassen sie sich bei richtiger Versuchsanordnung auch im Blut nachweisen.

3. Die entgegengesetzten Angaben von Buschke sind nicht bestätigt. Die Versuchsergebnisse zeigen, daß Buschke folgende Fehlerquellen nicht genügend beachtet hat: a) die Möglichkeit, daß die durch die Nachimpfung spontan geheilter, immuner Mäuse frisch zugeführten Spirochäten im Gehirn und in den Geweben eine Zeitlang lebensfähig bleiben; b) die Möglichkeit ungenügender Salvarsanwirkung infolge Anwendung von nicht sterilisierenden Dosen; c) Unterlassung der Blutverimpfung bei den Tieren, bei denen Spirochäten im Gehirn nachgewiesen wurden.

4. Eine Superinfektion der Mäuse ist möglich im Frühstadium, so wie sie auch bei Kaninchensyphilis bis zum 90. Tage mit Primäraffekten haftet. Diese Annahme einer Superinfektion bei experimenteller Mäuserekurrens ist aber durch die Untersuchungen Buschkes nicht bewiesen, da man bei Mäusen, die mit 0,003 g Neosalvarsan behandelt wurden und nach der Behandlung noch Spirochäten im Gehirn enthielten, das Wiederauftreten von Spirochäten im Blut nicht nur (wie Buschke mitteilt) im Anschluß an eine Nachimpfung beobachtet; vielmehr treten bei in gleicher Weise mit 0,003 g Neosalvarsan (also einer nicht sterilisierenden Dosis) behandelten, aber nicht nachgeimpften Tieren (Behandlungskontrollen) ebenfalls wieder Spirochäten im Blut auf, und zwar zur gleichen Zeit und in gleicher Menge wie bei den nachgeimpften Tieren.

5. Es wird in den mitgeteilten Versuchen der Beweis erbracht, daß man die rekurrensinfizierte Maus in der Frühperiode durch Behandlung mit einer einzigen Injektion einer sicher verträglichen Salvarsandosis (Dosis certe tolerata) regelmäßig sterilisieren kann (Therapia magna sterilisans); auch im Zentralnervensystem bleiben bei derartig behandelten Tieren keine Spirochäten zurück.

6. Die Behauptung von Buschke, daß die Salvarsantherapie zu einer Durchbrechung der Immunität bei Rekurrens und Syphilis führt, ist durch die obigen Versuche für Rekurrens und durch die Experimente von W. Kolle für Syphilis widerlegt.

Experimentelle Studien über Syphilis- und Rekurrens-Spirochätose. I.: Ueber biologische Unterschiede verschiedener Syphilisstämme, Infektionsimmunität und wahre Immunität bei Syphilis

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