Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2009; 53(2): 72-83
DOI: 10.1055/s-0029-1213536
Originalia
Wissen
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Das Symptomen-Lexikon – welches Symptomenlexikon?

Irmgard Kritzenberger
Further Information

Publication History

Publication Date:
23 June 2009 (online)

Zusammenfassung

Ausgehend von Plates Symptomen-Lexikon wird untersucht, was zu Hahnemanns Zeit unter einem Symptomenlexikon verstanden wurde und welche Stellung es im Rahmen der Entwicklung der ersten Nachschlagewerke innehatte. Mit einbezogen werden Jahrs und Herings diesbezügliche Aussagen und Konzepte, auch im Hinblick auf das Studium der Arzneimittellehre.

Summary

Following the publication of Plate's Symptomen-Lexikon some time ago, we herein review the understanding of „symptom-dictionaries” at the time of Hahnemann, and their place in the development of the first reference books of homoeopathy. We include statements and concepts of Jahr and Hering within this context, and, of course, a consideration of the study of materia medica.

Literatur

  • 01 von Bönninghausen C. Systematisch-Alphabetisches Repertorium der Antipsorischen Arzneien. Münster; Coppenrath 1832
  • 02 von Bönninghausen C. Systematisch-Alphabetisches Repertorium der Homöopathischen Arzneien. Erster Theil enthaltend die antipsorischen, antisyphilitischen und antisykotischen Arzneien. Münster: Coppenrath; 1833. Zweither Theil enthaltend die (sogenannten) nicht-antipsorischen Arzneien. Münster; Coppenrath 1835
  • 03 von Bönninghausen C. Hahnemanns Arzneigaben.  Neues Archiv für die homöopathische Heilkunst (NAHH). 1844;  1 30-40
  • 04 von Bönninghausen C. Therapeutisches Taschenbuch für homöopathische Ärzte, zum Gebrauch am Krankenbette und beim Studium der reinen Arzneimittellehre. Münster; Coppenrath 1846
  • 05 Classen C. Leitfaden der homöopathischen Fallanalyse. O.O.: Selbstverlag 2008
  • 06 Dimitriadis G. Homoeopathic Diagnosis. Hahnemann through Bönninghausen. Sydney; Hahnemann-Institute 2004
  • 07 Dunham C. Letter from C. Dunham, M.D. vom 6. September 1855 (Wildbad).  Philadelphia Journal of Homoeopathy. 1855;  IV 449-458
  • 08 Galic T. Homöopathische Diagnostik – Rubrikenanalyse. Homöopathie Konkret 2/08: 7-24
  • 09 Gross R H. Bemerkungen zu Herrn RothŽs Mitteilung zur Bearbeitung der hom. Arzneimittellehre (Nr. 16 u. 17 dieses Bandes).  AHZ. 1855;  50 185-186
  • 10 Haehl R. Samuel Hahnemann – Sein Leben und Schaffen. I. Band Leipzig; Schwabe 1922 Reprint Dreieich: T & W; 1988
  • 11 Hahnemann S. Fragmenta de Viribus Medicamentorum Positivis Sive in Sano Humanis Corpore Observatis. Lipsiae; J. A. Barthii 1805
  • 12 Hahnemann S. Bestand Repertorien im IGM Stuttgart. Signaturen R1, R2, R3 und R4
  • 13 Hartlaub C G C. Systematische Darstellung der reinen Arzneiwirkungen: zum practischen Gebrauch für homöopathische Aerzte. Dresden und Leipzig; Arnold 1826–1827 Band 1–6
  • 14 Hartlaub C G C, Trinks C F T. Systematische Darstellung der antipsorischen Arzneimittel. Dresden und Leipzig; Arnold 1829–1830 Band 7–9
  • 15 Hartmann F. Aus Hahnemanns Leben.  AHZ. 1844;  26 177-187
  • 16 Hering C. Ueber einen Nachweiser zu den Arzneizeichen.  Archiv für die homöopathische Heilkunst. 1832;  11 112-127
  • 17 Hering C. Das Schlangengift als Heilmittel.  Archiv für die homöopathische Heilkunst. 1835;  15 1-93
  • 18 Hering C. Wirkungen des Schlangengiftes. 1837; Neudruck Euskirchen; Homöopathisches Wissen 2001
  • 19 Hering C. Ueber das Studium der homöopathischen Arzneimittellehre.  Archiv für die homöopathische Heilkunst. 1838;  17 87-108
  • 20 Holzapfel K. Hahnemanns Arbeitsweise? Anstelle einer Rezension.  ZKH. 2005;  49 66-74
  • 21 Holzapfel K. Repertorien in der Praxis.  Gudjons-aktuell. 2008;  10 35-38
  • 22 Jahr G H G. Handbuch der Hauptanzeigen für die richtige Wahl der Homöopathischen Arzneien in ihren Haupt- und Eigenwirkungen nach den bisherigen Erfahrungen am Krankenbette bearbeitet und mit einem systematisch-alphabetischen Repertorium (des Inhalts) versehen. Düsseldorf; Schaub 1834 1. Auflage 1835 (2. Auflage)
  • 23 Jahr G H G. Ausführlicher Symptomenkodex der homöopathischen Arzneimittellehre. Für den erleichternden Handgebrauch beim Nachschlagen in der Praxis, und mit besonderer Rücksicht auf schnelle Vergleichung des Aehnlichen und gehörige Auffindung des Einzelnen nach allen seinen Bestimmungen. Zweiter Theil: Systematisch-alphabetisches Repertorium in 2 Bänden Leipzig; Bethmann 1848
  • 24 Jahr G H G. Alphabetisches Repertorium der Hautsymptome und äußeren Substanzveränderungen, nebst den Erscheinungen an den Drüsen, Knochen, Schleimhäuten und Blutgefäßen. … bereichert mit pathologischen Notizen über die Dermatosen. Als Anhang zu dem Repertorium (Symptomen-Kodex II.) desselben Verfassers, nebst General-Register und Abkürzungstabelle Leipzig; Bethmann 1849
  • 25 Jahr G H G. Noch einige Bemerkungen zu Herrn RothŽs Mitteilung zur Bearbeitung der hom. Arzneimittellehre (Nr. 16 u. 17 der vor. Bandes.).  AHZ. 1855;  51 54-56
  • 26 Jahr G H G. Die Lehren und Grundsätze der gesammten theoretischen und praktischen Homöopathischen Heilkunst. Stuttgart; Liesching 1857
  • 27 Kessler U. Entwicklung des homöopathischen Repertoriums.  Homöopathie-Zeitschrift II. 2008;  6-17
  • 28 Meinhard C. „Was zählt ist das Ähnlichkeitsgesetz” – ein Gespräch mit Uwe Plate.  Homöopathie-Zeitschrift II. 2004;  121-128
  • 29 Meinhard C. Genuine Homöopathie – Was ist das?.  Neues Archiv für Homöopathik. 2006;  1 5-13
  • 30 Plate U. Hahnemanns Arbeitsweise mit dem Symptomen-Lexikon dargestellt an Praxisfällen aus seinen Krankenjournalen. Braunschweig; Selbstverlag 2003
  • 31 Plate U. Symptomen-Lexikon der Materia Medica nach einer Idee des Begründers der Homöopathie Samuel Hahnemann. Braunschweig; Selbstverlag 2004
  • 32 Plate U. Clemens von Bönninghausens „Systematisch-alphabetisches Repertorium” (Teil 1).  Neues Archiv für Homöopathik. 2007;  2 29-40
  • 33 Plate U. Clemens von Bönninghausens „Systematisch-alphabetisches Repertorium” (Teil 2).  Neues Archiv für Homöopathik. 2007;  2 73-84
  • 34 Rückert E F. Systematische Darstellung aller bis jetzt gekannten homöopathischen Arzneien, mit Inbegriff der antipsorischen, in ihren Wirkungen auf den gesunden menschlichen Körper. Leipzig; Schumann 1830 1. Band 1831 (2. Band), 1832 (3. Band)
  • 35 Schweikert G A B. Materialien zu einer vergleichenden Heilmittellehre zum Gebrauch für homöopathisch heilende Aerzte nebst einem alphabetischen Register über die positive Wirkung der Heilmittel auf die verschiedenen einzelnen Organe des Körpers und auf die Funktionen derselben. Leipzig; Brockhaus 1828–1830 (2 Bände)
  • 36 Sommer I. Weltfremder Schreiberling oder Pionier der reinen Hahnemannschen Heillehre – Wer war eigentlich G. H. G. Jahr?.  Neues Archiv für Homöopathik. 2007;  2 159-189
  • 37 Stahl M. Der Briefwechsel zwischen Samuel Hahnemann und Clemens von Bönninghausen. Heidelberg; Haug 1997
  • 38 Stapf J E. Literarische Anzeige.  Archiv für die homöopathische Heilkunst. 1829;  8 176
  • 39 Trinks C F, Müller C. Handbuch der homöopathischen Arzneimittellehre. Dritter Band Leipzig; Weigel 1848
  • 40 Weber G A. Systematische Darstellung der antipsorischen Arzneimittel in ihren reinen Wirkungen. Nach Dr. S. Hahnemanns Werke: Ueber die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung. Braunschweig; Vieweg 1830–1831 (4 Bände)
  • 41 Weber G A. Systematische Darstellung der reinen Arzneiwirkungen aller bisher geprüften Mittel. Mit einem Vorwort vom Hofrath Samuel Hahnemann. Braunschweig; Vieweg 1831 (1 Band)

Anmerkungen

01 Siehe Flyer zum Symposium 2009 „Die Homöopathie Hahnemanns und seiner Schüler” in Karlsruhe; www.hahnemann-symposium.de.

02 So wird z. B. nur in folgender Form zitiert: „Bönninghausen über das Symptomen-Lexikon” [30: 61]; „Jahr über Hahnemanns Methode für das Studium der Reinen Arzneimittellehre” [30: 53]. Nur im Ausnahmefall werden Such-Hinweise gegeben, wie z. B.: „Er [Jahr] schreibt im Vorwort zu seinem Repertorium” [30: 61]; dennoch ist damit nicht klar, welches Repertorium Jahrs gemeint ist.

03 Hahnemann schreibt im Brief vom 25.11.1833 an Bönninghausen [37: 92]: „Vor 16 Jahren verfertigte ich mir auf diese Art ein Symptomen-Lexikon von den damals geprüften Arzneien.”

04 Im Brief vom 25.11.1833 an Bönninghausen schreibt Hahnemann [37: 92]: „Von den antipsorischen Mitteln allein hat mir Dr. Rückert (welcher nachgehend seine systematische Darstellung herausgab) vor 4 Jahren hier in Köthen /eins\ geschrieben, /als er\ von Liefland /im Herbste\ zurückkehrend nicht gleich ein Unterkommen hatte, wo ich dann ihn 6 Monate zu diesem Behufe hier unterhielt.”

05 Auf diese Ankündigung hat mich dankenswerter Weise Bernhard Deutinger, Sydney, Hahnemann-Institute, hingewiesen und mir eine Abschrift aus „Stapfs Archiv” (CD-Version © Olaf Möller, Falk Wilberg) hierzu zur Verfügung gestellt.

06 Im Brief vom 29.10.1830 an Bönninghausen bezeichnet Hahnemann auch das Werk Dr. G. A. Webers als Repertorium [37: 40].

07 Hierbei handelt es sich um folgende Werke [6: 42–43]: Hartlaub (und Trinks): Systematische Darstellung der reinen Arzneiwirkungen (1826–1827) und der antipsorischen Arzneimittel (1829–1830), Schweikert: Materialien zu einer vergleichenden Heilmittellehre (1828–1830), Weber: Systematische Darstellung der antipsorischen Arzneimittel in ihren reinen Wirkungen (1830–1831) und Systematische Darstellung der reinen Arzneiwirkungen aller bisher geprüften Mittel (1831), Rückert: Systematische Darstellung aller bis jetzt gekannten homöopathischen Arzneien (1830–1832).

08 Rückert hat zwei Repertorien „fabriziert”: Das Alphabetische, das zunächst als 5. Band für die 1. Auflage der Chronischen Krankheiten gedacht war (1829–1830), und das Systematische aller bisher gekannten Arzneien (1830–1832).

09 „Geschickt müsste er seyn, um jeden wichtigen Begrif in einem Symptom ins Alphabet bringen und, ohne dessen Inhalt zu verfälschen, das Symptom in verschiedne Rede-Ordnungen gestalten zu können, um alle die wichtigsten Momente (Worte) darin vorne an ins Alphabet zu stellen. Bei großen Rubriken z. B. der befallenen Theile \z. B. Kopfweh, Halsweh pp/ müssen die Empfindungen \Tagszeiten, begleitende Umstände pp/ inmitten des Symptoms ebenfalls in alphabetischer Ordnung aufeinander folgen” [37: 91–92; eigene Hervorhebungen].

10 Während Hahnemann alle bisherigen Nachschlagewerke als Repertorium bezeichnete, führte jedoch keines diesen Begriff im Titel [6: 43]. Erst Bönninghausen nannte sein Werk explizit Repertorium im Titel [1].

11 Lexikon (gr. λϵξικó) meint in seiner ursprünglichen Bedeutung ein Wörterbuch, in dem die jeweiligen Wörter beschrieben und in ihrer Bedeutung erklärt werden (Persönliche Mitteilung von Dr. George Dimitriadis, Sydney, Hahnemann Institute). Es wird hier nicht darauf eingegangen, ob Hahnemanns Wortwahl adäquat gewählt war; zur Diskussion kann hier nur stehen, was Hahnemann konkret mit einem Symptomenlexikon bezeichnete.

12 Siehe hierzu Dimitriadis [6: 11]: „But the critical process of converting the observed morbid phenomena (symptoms) of provings into a representive word or term (rubrification), itself admits a degree of ambiguity, which however may be negated via reference to the source materia medica for a contextual clarification of each rubric meaning.”

13 Müller erklärt auch, warum er sein Buch „nur ein Repertorium [nennt] und nicht ein Arzneisymptomenlexikon”, obwohl „dies nicht etwa deshalb geschehen [sei], weil dasselbe nicht vollständig alle vorhandenen Symptome der A.M.L. enthielte, (denn es umfasst in der That allen gegebenen Stoff), sondern weil [er] fest glaube, dass ein solches Arzneisymptomenlexikon doch nie die ganze Arzneimittellehre unverkürzt und unversehrt enthalten kann; denn wegen der lexikographen Anordnung müssen sehr viele Arzneisymptome zerstückelt und an verschiedenen Stellen untergebracht werden und dadurch ihre Totalität und oft ihre wesentliche Eigenthümlichkeit ganz und gar verloren gehen” [39: II].

14 „Mein Repertorium war bloß ein alphabetisches Register, was nur in der größten Vollkommenheit viel Dienste bei Aufsuchung der nöthigen Arznei-Symptome gewähren kann” [37: 42];
„… je nach den mehren wichtigen Momenten in denselben, die der Sucher zu finden beabsichtigen könnte” [37: 92];
„… für den Suchenden bequemste und zweckmäßigste Weise geordnet und dargestellt sind” [38: 176]; (jeweils eigene Hervorhebungen).

15 Dabei legt Plate folgende Definition zugrunde [30: 25]:
„Die Zeichen eines Mittels … sind charakteristisch, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:
Ein Organ ist für ein Arzneimittel charakteristisch, wenn an diesem Organ in der Arzneimittelprüfung erschiedene Beschwerden aufgetreten sind. …
Eine Empfindung ist dann charakteristisch, wenn sie an verschiedenen Organen auftritt. …
Ein Modalität ist dann charakteristisch, wenn sie die verschiedensten Beschwerden hervorruft. …
Eine begleitende Beschwerde ist dann charakteristisch, wenn sie verschiedene Beschwerden (Zeichen) begleitet, mit verschiedenen Zeichen zusammen auftritt. …”

16 Diese Aussage Plates ist zur Klarstellung zu kommentieren (siehe Klammerzusätze): „Das Symptomen-Lexikon [Plates] dient zum Studium der reinen Arzneimittellehre [mittels des Symptomen-Lexikons von Plate], nicht zum Finden einzelner Symptome”, während die Nachschlagewerke/Repertorien zur damaligen Zeit dazu konzipiert wurden, Symptome (oder Teile daraus) zu finden als Hinweis auf eine Arznei („Winke”), um dann das Arzneimittel in der primären Arzneimittellehre (i.d.R. RA/CK) als Ganzes zu studieren, falls es notwendig sein sollte.

17 Diese Aussagen hat Plate lediglich in einem Interview gemacht [28: 123]; sie hätten wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung in das Vorwort des betreffenden Werks aufgenommen werden müssen.

18 Der Hinweis Hahnemanns auf die 4 „Lettern” bzw. Grade im heutigen Sprachgebrauch zeigt auch dessen diesbezügliche Einschätzung: Für Hahnemann waren die „Auszeichnungen” von großer Wichtigkeit. Bönninghausen schlug im Brief vom 9.7.1834 an Hahnemann sogar in Bezug auf das konzipierte Symptomenlexikon eine Kennzeichnung vor: „… worin vielleicht das durch die Praxis bewährte durch ein +) oder auf andere Art kennbar gemacht werden könnte” [37: 104]. Leider bleibt genau diese Passage im Begleitbuch von Plate unerwähnt (ohne durch Auslassungszeichen gekennzeichnet zu sein) [30: 61].

19 Bönninghausen bezieht sich im Vorwort seines Taschenbuchs an mehreren Stellen auf Hahnemann [4: VII–VIII]: Bezüglich seines neuen Repertoriums, des Taschenbuchs:
„… ich muss es dankbar den Manen meines verewigten Lehrers und Freundes Hahnemann nachrühmen, dass er mich dabei in ununterbrochenem Briefwechsel mit trefflichem Rathe unterstützt hat.”
„Um sicher zu sein, die homöopathische Literatur mit keinem unnützen Buche zu vermehren, musste jedoch erst die Erfahrung befragt werden, und nachdem diese während des Gebrauchs einer ähnlichen, aber bloß auf die Polychreste beschränkten Anordnung sich über Erwarten günstig dafür ausgesprochen und eben so der verewigte Stifter der neuen Schule meine Idee eine „vortreffliche und überaus folgenreiche” genannt hatte, trug ich keine Bedenken mehr, dasselbe ganz auszuarbeiten, …”
Bezüglich seines bisherigen Repertoriums, des Systematisch-Alphabetischen Repertoriums: „…. von Hahnemann, seinen wiederholten Versicherungen gemäss, allen anderen vorgezogenen Repertoriums…..”.
Diese Aussagen, in denen die Wertschätzung Hahnemanns für die Werke Bönninghausens zum Ausdruck kommt, werden von Plate in seinem Begleitbuch im Kapitel Therapeutisches Taschenbuch konsequent unterschlagen, auch wenn die jeweiligen Textteile unmittelbar vorher bzw. nachher zitiert wurden [30: 91, 92]. Beim ersten obigen Zitat fehlen sogar die entsprechenden Auslassungszeichen [[30: 91, 2]. Absatz; „… hätte fussen können. Aus Scheu… ”], sodass der Leser nicht erkennen kann, dass hier eine Passage ausgelassen wurde, die sich dann sogar noch als unverzichtbar für eine unvoreingenommene Meinungsbildung erweist. Honi soit, qui mal y pense?

20 Bönninghausen veröffentlicht einen Brief von Croserio, „einem Pariser Homöopathen, welcher am meisten mit dem seligen Hahnemann befreundet war, fast täglich ihn besuchte und mithin am genauesten von dessen Verfahren in der letzten Zeit unterrichtet war” [3: 30]. Croserio sagt darin unter Bezugnahme auf das angekündigte neue Repertorium, das Therapeutische Taschenbuch: „Ich weiß ja, welchen hohen Werth unser Meister schon auf ihr bisheriges Repertorium legte, welches er beständig zu Hand hatte” [3: 34].

21 Gross [9: 186]: „Dennoch steht es durch wiederholte, authentische Aeusserungen HahnemannŽs fest, dass er das frühere, nur durch seine Zerspaltenheit am Krankenbett unbequemere Repertorium von Bönninghausen allen anderen vorgezogen; und er hatte dazu seine guten Gründe. Hätte das 1846 erschienene therapeutische Taschenbuch von Bönninghausen früher existiert, so zweifle ich nicht, dass Hahnemann dasselbe am Krankenbett ausschließlich benutzt heben würde … Bei Anerkennung allen auf andere Werke verwendeten Fleisses muss man gestehen, dass an Reinheit und Zuverlässigkeit keines derselben die Schriften von Bönninghausen erreicht, weil der Verfasser ein für den Praktiker nicht unumgänglich nöthiges, aber doch sehr wünschenswertes Talent, eine Beobachtungsgabe und einen Sinn für Charakteristik besitzt, wie er nur Hahnemann eigen war, und wie er den trägen Alltagshomöopathen als fabelhaft und mystisch erscheint.”

22 Dunham [7: 454]: „BönninghausenŽs Repertory, the first that appeared, although faulty in its division into two parts, is yet the best we have. It was the only one used by Hahnemann, and Mad. Hahnemann has assured me that he regarded it as indispensible.”

23 Haehls Aussage „Hahnemann benützte ihn [Jahr] … bei der Anlegung eines Repertoriums und eines Symptomenlexikons” [10: 444] beruht nicht auf Fakten, sondern auf Vermutungen. Auch Stahls jeweilige Interpretationen in den Zusammenfassungen zu den Briefen vom 21.8.1834 („G. H. G. JAHRs Arbeit am Symptomen-Lexikon” [37: 109]) und vom 26.12.1834 („Unzufriedenheit über die ‚Ruschelei und Faselei’ G. H. G. JAHRs bei der Erstellung des Symptomen-Lexikons” [37: 110]) sind falsch und nicht dem Wortlaut der Briefe zu entnehmen.

24 Aussagen Hannemanns hierzu [37: 98, 102, 111, 114]:
„Eben wird Jahr bei mir anlangen, um mir bei der zweiten Ausgabe der chronischen Krankheiten zu helfen”;
„Dieß sehe ich schon jetzt bei der zweiten Ausgabe der chronischen Krankheiten, an der mir eben Jahr hilft”;
„Jahr hatte bloß die Materialien, gehörig geordnet, abzuschreiben und die weitschweifigen Symptome von N – z [müsste N – g (für Nenning) heißen, Transkriptionsfehler] u. a. abzukürzen, …”;
„… und da Jahr eben mit seiner Hülfe bei mir fertig war …”

25 Man beachte, dass das Repertorium den von Jahr erstellten Textteil, der 2 Bände umfasst, indiziert. Insoweit geht das Repertorium nur indirekt auf die Original-Symptomenverzeichnisse zurück – im Gegensatz zu Bönninghausens Repertorien.

26 Um Jahrs Werk im Detail gerecht zu werden, müsste die Entwicklungsgeschichte des Symptomenkodex selbst, insbesondere im Rahmen des umfassenden Gesamtwerkes Jahrs, untersucht und dargestellt werden. Dies ist an dieser Stelle nicht möglich.

27 Dies ist eine einfache mathematische Rechnung: 4 Möglichkeiten an der 1. Stelle, 3 Möglichkeiten an der 2. Stelle, 2 Möglichkeiten an der 3. Stelle, nur noch eine Möglichkeit an der 4. Stelle; somit ergeben 2 Bände Textteil [(4 × 3 × 2 × 1 = 24); 24 × 2 =] 48 Bände Repertoriumsteil.

28 „Was das practizierende Publikum bedarf, ist ein Resultat des Studiums, aber ein Resultat des wahren Studiums, nicht der in der Luft raisonnirenden Theorie; …” [23: VII]. Jahr stellt neuere Bearbeitungen in Aussicht, die „kürzer und wertvoller zugleich sein [werden], und zwar nicht durch Auslassungen, sondern durch resultierende Zusammenfassungen abgekürzt, und durch mit der Zeit erst möglich werdende, wahrhaft nützliche Eintheilungen und Anordnungen reicher an praktischem Werthe.”

29 Die neue Anordnung im Hautrepertorium kann an dieser Stelle nicht weiter erörtert werden.

30 Hering nennt sein avisiertes Werk Nachweiser, was bezüglich des Einsatzes schon von der Wortbedeutung eine Hinweisung auf das gesuchte Symptom impliziert.

31 Als Systematik, die sich für einen Nachweiser nicht eigne, bezeichnet Hering die Einteilung, die Hahnemann der Reinen Arzneimittellehre voranstellt und nach der die Auflistung aller Symptome eines Arzneimittels erfolgt. Dafür und nur dafür und nicht für einen Nachweiser sei sie auch geeignet.

32 Plate zitiert Hering bezüglich der Bedingungen/Verbindungen falsch, wenn er schreibt: „Bei einem dritten Durchlesen achte man auf die Verbindungen der Zeichen” [30: 47, 105]. Geschrieben hat Hering hier jeweils von den Bedingungen [19: 100].

33 Bönninghausen führte als Erster Rubriken mit zugeordneten Arzneimitteln ein. Siehe auch Dimitriadis [6: 23]: „This process of rubrication, as we have termed it, which involves the abstraction of symptom components from their position within an entire symptom description and their rendering into an abbreviated, representive rubric form, was the key to brevity and speed which Bönninghausen himself first conceived and untertook in his repertorial works.”

34 Schon in frühen Werken gibt es bei kurzen Symptomen wie „Schwindel nachts” Auflistungen mehrerer Mittel. Durch die wortwörtliche Auflistung der Symptome bei „in extenso”-Darstellungen bleiben diese Mittelreihen der Natur der Sache nach nur auf einige wenige Symptome beschränkt.

35 Beim Studium der Schriften von Hering sollte man immer berücksichtigen, was Hering meint, wenn er von Zeichen und Anzeigen spricht. Eine Definition gibt Hering in [17: 61]:
„… Zeichen – das heißt: den [hier] durch Schlangengift erregten krankhaften Symptomen …”;
„… Anzeigen, d. h. die Heilsymptome, Heilwirkungen, oder Krankheitszeichen, die durch ein Mittel geheilt wurden, und aus diesem Grunde nun: direkt anzeigen, wo dasselbe Mittel wieder heilen könne, …”
Nachfolgend ein Beispiel für den Wortgebrauch von „Zeichen” durch Hering [18: ii]: „… so daß jedes Zeichen an allen Orten angeführt wird, wo es zufolge eines Theiles desselben könnte gesucht werden” (eigene Hervorhebungen).
Dagegen definiert Plate ein Zeichen wie folgt: „Die Bestandteile eines Symptoms sind die Zeichen” [30: 24].
Diese unterschiedlichen Definitionen haben nicht unerhebliche Auswirkungen auf die Interpretation von Herings Aussagen. Wenn Hering [19: 97] sagt:
„Man liest die Zeichen des Mittels mehrere Male aufmerksam vom Anfang bis zum Ende durch…”,
so versteht Plate dies mit seinem Verständnis von Zeichen als:
„Man liest die Zeichen (die Zeichen der einzelnen Symptome!) des Mittels …..” 30: 47. Der Klammerzusatz ist von Plate dem Original als Erläuterung beigefügt, um seiner Definition gerecht zu werden!
Wie wichtig für Plate die Zeichen nach seiner Lesart für seine grundsätzlichen Überlegungen sind, ist an der Abänderung eines Hering-Zitats zu erkennen: Das Original von Hering [19: 99],
„Bei jedem Mittel, wo man denselben Schmerz vorherrschend findet, werden sich durch die nähere Beachtung die eigentlich charakteristischen Züge finden”,
wird bei Plate [30: 47] zu:
„Bei jedem Mittel, wo man denselben Schmerz vorherrschend (an verschiedenen Organen) findet, werden sich durch die nähere Betrachtung die eigentlich charakteristischen Zeichen (Stechen in inneren oder äußeren Organen etc.) finden.”
Die von mir hervorgehobenen Wörter wurden durch Plate abgeändert, der Text in Klammern von Plate als Erläuterung beigefügt (und dadurch als solche auch kenntlich gemacht).

36 Man beachte, dass die Ausführungen Herings „Ueber das Studium der homöopathischen Arzneimittellehre” den „Wirkungen des Schlangengiftes zum ärztlichen Gebrauche vergleichend zusammengestellt” [18] vorangestellt sind, in denen auch Heilwirkungen mit enthalten sind:
„Die Heilwirkungen sind ebenfalls beigefügt worden nach dem schon längst und oft wiederholt,… von mir ausgesprochenem Grundsatze: Daß sie ebensowol müssen gesammelt werden, als die Arzneizeichen, weil eine Arznei vieles heilt was sie nicht hervorbringen kann, gesetzt auch, wie wir schließen, sie habe die Fähigkeit dazu; weil Prüfungen an Gesunden auf einen engern Symptomenkreis eingeschlossen sind; … die Krankheiten einen viel weitern haben, oder nach Petersen ‚Symptome im großen Styl’. Die hervorgebrachten Zeichen sind dagegen weit sicherer und zuverlässiger, und haben dadurch den Vorzug, auch sind sie in der Regel schärfer und feiner charakterisiert. Dem Arzte sind beiderlei Erfahrungen unumgänglich nothwendig”” [18: iv].

37 Jahr beschreibt 1855 im Rückblick Hahnemanns Vorgehensweise folgendermaßen [25: 56]:
„… und als Repertorium nahm er [Hahnemann] wie Dr. Gross (Bd. 50, Nr. 24 d. Ztg.) ganz richtig bemerkt, Bönninghausen, wenn anders er nicht sein eigenes vortreffliches Manuscript, welches alle Symptome alphabetisch geordnet in Extenso wiedergibt [s. Punkt 1 – unten], zu Rathe zog. Alles dies aber that er nur, um seinem Gedächtnisse augenblicklich zu Hilfe zu kommen und sich auf diese Weise gewisser Symptome zu erinnern [s. Punkt 2 – unten]; nicht aber um nach diesen unvollkommenen Hilfsmitteln, wie Herr Roth es anzudeuten scheint, zu curieren. Denn war ihm etwas in den Repertorien [s. Punkt 3 – unten] Gefundenes nicht klar, oder erinnerte es ihn nicht genügsam an die Kenntnisse, die er vom Charakter des Mittels [s. Punkt 4 – unten] hatte, so gab er dasselbe nie, ohne vorher die Prüfungssymptome desselben nochmals durchgelesen zu haben [s. Punkt 5 – unten]– (eigene Kennzeichnungen zur Hervorhebung der in diesem Zusammenhang besonders relevanten Aussagen).
Durch diese Beschreibung Jahrs werden verschiedene Gesichtpunkte, die oben im Detail herausgearbeitet und belegt wurden, bestätigt:

  • der Aufbau von Hahnemanns Symptomenlexikon (Punkt 1),

  • der Zweck von Hahnemanns Symptomenlexikon (Punkt 2),

  • die Bezeichnung des Symptomenlexikons als Repertorium (Punkt 3),

  • die Relevanz des Charakters des Mittels zur Beurteilung einzelner Symptome (Punkt 4),

  • das abschließende Durchlesen der Prüfungssymptome in den Symptomenverzeichnissen, um sich eben des Charakters des Mittels zu vergewissern (Punkt 5).

Irmgard Kritzenberger

Erlenstr. 4

90518 Altdorf

    >