Zeitschrift für Klassische Homöopathie 2009; 53(3): 116-123
DOI: 10.1055/s-0029-1213562
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© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Die Bedeutung der hervorgehobenen Symptome in Hahnemanns Arzneimittellehre

Matthias Wischner
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Publication Date:
17 September 2009 (online)

Zusammenfassung

Hahnemann hat in seinen Arzneimittellehren manche Symptome durch besonderen Druck hervorgehoben. Die Bedeutung dieser Hervorhebungen wird bislang kontrovers diskutiert. Es wird gezeigt, dass die meisten bisherigen Interpretationen falsch sind. Richtig ist, dass Hahnemann Symptome dann hervorgehoben hat, wenn sie ihm irgendwie wichtig erschienen. Eine darüber hinausgehende Bedeutung oder besondere praktische Relevanz kommt diesen Symptomen daher nicht zu.

Summary

In his materia medica, Hahnemann has emphasized certain symptoms by a special type-setting. Hitherto, the meaning of these stresses has been discussed controversially. We show that most of the present interpretations are wrong. Hahnemann did stress symptoms, when he considered them somehow important. Any further meaning or any practical relevance can therefore not be attached to these symptoms.

Literatur

  • 01 Attomyr J. Was heißt charakteristisch?.  AHZ. 1855;  50 57f., 65–67, 73f., 83f., 92f.
  • 02 Hahnemann S. Reine Arzneimittellehre. Teil 1–6, Dresden 1811–1821, 2. Aufl. Teil 1–6, Dresden und Leipzig 1822–1827, 3. Aufl. Teil 1 und 2, Dresden und Leipzig 1830–1833. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe letzter Hand Heidelberg; Haug 1989
  • 03 Hahnemann S. Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung. 4 Bde., Dresden und Leipzig 1828, 1828, 1828, 1830. Zweite Auflage, 5 Bde., Dresden und Leipzig 1835, 1835, Düsseldorf 1837, 1838 und 1839. Unveränderter Nachdruck der Ausgabe letzter Hand Berg am Starnberger See; O-Verlag 1983
  • 04 Hahnemann S. Chronische Krankheiten. Manuskript der 2. Aufl. (Teil) Homöopathiearchiv des IGM, Bestand G5
  • 05 Hahnemann S. Gesamte Arzneimittellehre: Alle Arzneien Hahnemanns: Reine Arzneimittellehre, Die chronischen Krankheiten und weitere Veröffentlichungen in einem Werk. Herausgegeben und bearbeitet von Lucae C und Wischner M. Stuttgart; MVS Medizinverlage Stuttgart 2007
  • 06 Hahnemann S. Hahnemanns Arzneimittellehre. Kandern; Narayana 2007
  • 07 Hahnemann S. Die Krankenjournale. Kritische Gesamtedition. Hrsg. v. Jütte R. Stuttgart; Haug 1991
  • 08 Hickmann R. Das psorische Leiden der Antonie Volkmann. Edition und Kommentar einer Krankengeschichte aus Hahnemanns Krankenjournalen von 1819–1831. Heidelberg; Haug 1996
  • 09 Keller G v. Clematis und der Zustand unserer Materia medica.  ZKH. 1993;  37 47-55
  • 10 Klunker W. Zur Herkunft der Symptomengrade.  ZKH. 1987;  31 155-158
  • 11 Klunker W. Zu Hahnemanns „Fragmenta de viribus medicamentorum”.  ZKH. 1995;  39 3-8
  • 12 Moritz J. Die Grundlagen der Homöopathie und die Bedeutung von Hahnemanns Charakteristika. Eine quellenorientierte Darstellung. Sinzig-Löhndorf; Bernhard Möller 2008
  • 13 Rückert E F. Systematische Darstellung aller bis jetzt gekannten homöopathischen Arzneien in ihren reinen Wirkungen auf den gesunden menschlichen Körper. 2., durchaus umgearb. u. verm. Aufl. Teil 1 Leipzig; Schumann 1835
  • 14 Schreiber Kathrin. Hahnemann in Leipzig. Die Entwicklung der Homöopathie zwischen 1811 und 1821: Förderer, Gegner und Patienten. Stuttgart; Haug 2002
  • 15 Tyler M. Homöopathische Arzneimittelbilder. München; Elsevier 2007
  • 16 Wegener A. Mittelfindung mit dem Therapeutischen Taschenbuch von Bönninghausen. In: Genneper T, Wegener A (Hrsg.): Lehrbuch der Homöopathie. Stuttgart; Haug 2001: 139-151
  • 17 Wettemann M. Samuel Hahnemanns „Fragmenta de viribus medicamentorum”. Die erste Materia medica homoeopathica. Med. Diss. Tübingen; 2000

Anmerkungen

01 Mein Dank gilt Herrn Dr. med. Carl Rudolf Klinkenberg und Herrn Dr. med. Peter Minder, ohne deren Fragen und Anregungen ich vermutlich niemals einen Aufsatz zu diesem bemerkenswert trockenen Thema verfasst hätte. Herrn Dr. med. Christian Lucae danke ich für seine wertvollen Hinweise.

02 Rückert 1835, Vorrede, S. VI. Vgl. auch Uwe Plate in „Hahnemanns Arzneimittellehre” 2007, S. 17.

03 Hahnemann hat, wie aus dem Manuskript zur zweiten Auflage der CK ersichtlich, Wörter, die gesperrt gedruckt werden sollten, durch Unterstreichung hervorgehoben.

04 Moritz 2008, S. 78f., gibt eine gute Übersicht über die Anzahl der Symptome insgesamt sowie über die gesperrt gedruckten Symptome bei den einzelnen Arzneien. Um auf den Durchschnitt von 6,7 % zu kommen, müssen noch die von Moritz nicht erwähnten Arzneien (z.B. Clematis, Cinnabaris, einige kleinere Prüfungen und die Magnet-Symptome) einbezogen werden.

05 Entgegen der Regel finden wir bei Calcarea carbonica Hahnemanni neben 16 herabgestuften Langhammer-Symptomen auch zwei Symptome dieses Prüfers, die „aufgewertet“ wurden: CK 113/RAL (17 und 21) und CK 621/RAL (99 und 101). Hahnemann hat hierbei Symptome von Langhammer zusammengefasst und das Gemeinsame hervorgehoben. In der RAL wurden diese Symptome, die bei Langhammer zu unterschiedlichen Zeiten im Prüfungsverlauf aufgetreten waren, noch einzeln wiedergegeben, z.B.: Säuerliches, widriges Aufstoßen (Lgh.). [CK 621] Säuerliches Aufstoßen (n. œ St.) (Lgh.). [RAL (99)] Widrig säuerliches Aufstoßen (n. 1 St.) (Lgh.). [RAL (101)].

06 Aus dem Manuskript geht auch hervor, dass es sich bei den Herauf- und Herabstufungen nicht um Fehler des Setzers handelt. Hahnemann hat nämlich jedes einzelne Symptom handschriftlich notiert. Das gilt auch für die Arzneien, die schon in der RAL gedruckt erschienen waren, Hahnemann hat diese Symptome also nicht ausgeschnitten und in das Manuskript eingeklebt, sondern handschriftlich übertragen und dabei umformuliert und ggf. unterstrichen. Der Setzer hat Hahnemanns Vorgaben dann minutiös umgesetzt.

07 Schreiber 2002, S. 44.

08 Die Quellenangaben, die Hahnemann zu jedem Symptom gemacht hat, wurden bewusst nicht übernommen, da sie die Lesbarkeit gestört hätten.

09 Hahnemann hat Symptome, die im Behandlungsverlauf neu erschienen sind, in seinen Krankenjournalen mit NB gekennzeichnet. NB kann mit Nebenbeschwerde übersetzt werden, vgl. Wettemann 2000, S. 49–51, und Organon 6, §§ 138, 163, 180, 181. Die in der homöopathischen Literatur geläufige Übersetzung „NB = nota bene” ist ebenfalls eine denkbare Erklärung.

10 Vgl. Hickmann 1996.

11 Vgl. Klunker 1987 und 1995.

12 Wettemann 2000, S. 53.

13 Diese These wird u.a. vertreten durch Attomyr 1855, S. 66, und Wegener 2001, S. 144. Tyler 2007, S. 37, geht sogar noch weiter: „gesperrt gedruckt” sind „Symptome, die bei gesunden Prüfern wiederholt hervorgebracht und [! MW] bei den an einer ähnlichen Erkrankung Leidenden immer wieder geheilt worden sind.”

14 Z.B. Tyler 2007, S. 37 (vgl. Anmerkung 13).

15 Moritz 2008.

16 Vgl. Tyler 2007, S. 194.

17 Zu Einzelheiten siehe Moritz 2008, S. 39–44 und 55–70.

18 Moritz 2008, S. 64.

19 Moritz 2008, S. 70.

20 Darauf hat bereits Keller 1993 hingewiesen.

21 Moritz 2008, S. 70.

22 Moritz 2008, S. 77: „Clematis wurde, da Hahnemann keine gesperrt gedruckten Symptome angab, ebenso wie einige sehr kleine Prüfungen nicht berücksichtigt.”.

23 Vgl. Hahnemann S: Hahnemanns Gesamte Arzneimittelehre 2007. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Charakteristika und gesperrt gedruckten Symptomen ist auch bei diesen Arzneien nicht zu erkennen.

24 Sabadilla 1825, Sabina 1826, Viola tricolor 1828, Paris quadrifolia 1829, Viola odorata 1829, Agnus castus 1831, Lamium album 1832 und Cantharis 1833.

Dr. med. Matthias Wischner

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