Der Klinikarzt 2009; 38(3): 119
DOI: 10.1055/s-0029-1220667
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Arterielle Hypertonie als interdisziplinäre Angelegenheit

Martin Middeke
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Publication Date:
31 March 2009 (online)

Die Hypertonie ist eine interdisziplinäre Angelegenheit. Daher sind Disziplinen wie Kardiologie, Nephrologie, Endokrinologie u. a. gefordert, ihren Beitrag zur adäquaten Hypertoniediagnostik und –therapie beizutragen. Das spiegelt auch dieses Schwerpunktheft wider.

Die Diagnose einer manifesten Hypertonie ist auf der Basis vereinzelter Klinik– oder Praxismessungen nicht sicher zu stellen. Heute verlangen wir für die sichere Diagnose und insbesondere vor Einleitung einer medikamentösen antihypertensiven Therapie die Blutdruck–Langzeitmessung. Für die langfristige Therapiesteuerung hat die Selbstmessung des Blutdrucks einen hohen Stellenwert. Neuerdings ermöglichen entsprechende Systeme eine aktuelle Datenübertragung der Blutdruckwerte in die Praxis oder Klinik. Somit können wir heute praktische Telemedizin betreiben: Die räumliche Distanz wird überwunden. Der Blutdruckverlauf wird beobachtet und dokumentiert (Telemonitoring), und mittels moderner Kommunikationsmittel (Telefon, SMS, Fax,

E–Mail) wird über den Pfad zurück zum Patienten die Therapie gesteuert. So wird auf der Basis objektiver und gut dokumentierter Daten aus dem Alltag eine verlässliche Diagnostik erstellt und die individuelle Betreuung der Patienten selbst in weiter Ferne ermöglicht. Hiervon profitieren die Patienten und ihre Ärzte gleichermaßen.

Endokrine Hochdruckformen finden sich insbesondere bei Patienten mit schwerer und schwer einstellbarer Hypertonie. Spätestens hier sollte eine adäquate Diagnostik zum Ausschluss eines primären Hyperaldosteronismus, eines Cushing–Syndroms oder eines Phäochromozytoms durchgeführt werden. Die sichere Identifizierung dieser Patienten durch gezielt eingesetzte Screening–Untersuchungen hat entscheidenden Einfluss auf eine spezifische und im Idealfall kurative Therapie. Die Indikation zur Durchführung dieser Diagnostik stellt sich vor allem auf der Basis anamnestischer und klinischer Befunde. Da Screening–Untersuchungen bei hoher Sensitivität mit einer relativ hohen Rate an falsch positiven Ergebnissen behaftet sind, ist in der Regel eine weitere hormonelle Diagnostik als Bestätigung und zur Differenzialdiagnostik erforderlich (Beitrag Beuschlein).

Hypertoniepatienten ≥ 80 Jahre sind in den Hypertonie–Interventionsstudien nur sehr spärlich repräsentiert. Insofern war der Nutzen einer antihypertensiven Therapie in dieser Altersgruppe nicht belegt. Eine Metaanalyse der wenigen vorliegenden Daten aus randomisierten Studien hatte sogar nahegelegt, dass eine Blutdrucksenkung in dieser Altersgruppe zwar die Schlaganfall–Inzidenz absenkt, jedoch mit einer gesteigerten Mortalität einhergeht. Die 2008 publizierte „Hypertension in the very Elderly Trial” (HYVET), konnte nun eindeutig die Situation klären: eine antihypertensive Therapie bei älteren Patienten kann sehr erfolgreich kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität senken. Als Zielblutdruck gelten nun Werte < 150/80 mmHg für die älteren Hypertoniker (Beitrag Düsing).

Die Gefäßsteifigkeit ist ein besonderes Charakteristikum der isolierten systolischen Hypertonie im Alter. Neue nicht invasive Verfahren ermöglichen die Messung der Pulswellengeschwindigkeit und des aortalen Augmentationsindex als Biomarker der Gefäßsteifigkeit bzw. des Gefäßalters (Beitrag Baulmann).

Die Hemmung des Renin–Angiotensin–Aldosteron–Systems auf den verschiedenen Ebenen mit entsprechenden Substanzen in der Monotherapie und in Kombinationen ist eine unendliche Erfolgsgeschichte der Pharmaforschung und von überragender Bedeutung für die antihypertensive Therapie (Beitrag Frank).

Ich danke den Autoren für ihre aktuellen und interessanten Beiträge für dieses Heft und wünsche den Leserinnen und Lesern eine spannende Lektüre mit viel Erkenntnisgewinn.

Prof. Dr. med. Martin Middeke

München

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