PiD - Psychotherapie im Dialog 2009; 10(4): 291-295
DOI: 10.1055/s-0029-1223391
Standpunkte

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Patientenautonomie – ein dynamisches Konzept

Wolfgang  Tress, Nicola  Erny
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Publication Date:
20 November 2009 (online)

Zusammenfassung

Im Zuge der von Beauchamp und Childress ursprünglich 1979 begründeten medizinischen Prinzipienethik wird heutzutage besonders die Frage der Patientenautonomie untersucht, die sich mit einem anderen zentralen Konzept der medizinischen Ethik, dem Informed Consent, verschränkt. Die Analyse macht das Anwendungsproblem beider Ansätze in der Psychotherapie deutlich, sofern sie absolut, quasi-objektiv und a-historisch zur Anwendung kommen. Stattdessen wird hier für ein dynamisches Konzept der Patientenautonomie votiert, das sich am konkreten biografisch gewachsenen Kontext und dem mehr oder weniger – oder eben gar nicht eingeschränkten Spektrum der Entscheidungsmöglichkeiten eines z. B. ich-strukturell beschädigten Menschen orientiert. Dieser hat ein Recht auf eine anleitende, u. U. auch bestimmende Begleitung seines Therapeuten auf dem therapeutischen Weg zu weitestgehender Autonomie und dem dann gültigen deliberativen (Beratungs-)Modell. – Immer aber bleibt der je erreichte Grad individueller Autonomie ein gefährdeter, den es stets von Neuem persönlich (auch seitens des Therapeuten) zu erarbeiten gilt.

Literatur

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Prof. Dr. Dr. Wolfgang Tress

Klinisches Institut für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Universität Düsseldorf

Moorenstraße 5

40225 Düsseldorf

Email: tress@uni-duesseldorf.de

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