Diabetes aktuell 2009; 7(4): 158
DOI: 10.1055/s-0029-1233384
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

"Revolutionäre" Diabetestherapie - Kann die Adipositas-Chirurgie Typ-2-Diabetes heilen?

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Publication Date:
30 June 2009 (online)

 

Bild: Günther Buck

Geradezu unglaubliche Ergebnisse berichteten Experten auf einem Symposium zur chirurgischen Therapie der Adipositas bei den Sessions der American Diabetes Association. Unglaublich zwar, aber wohl ernst zu nehmen und wert, weiter überprüft zu werden. Von einer "möglichen Revolution" in der Behandlung des Diabetes sprachen die Experten und "die Herausforderung für die Medizin ist, die Rolle der Adipositaschirurgie eher als Therapie des Diabetes zu klassifizieren, denn als bloße Maßnahme zur Reduzierung des Gewichts", erklärte Francesco A. Rubino, Direktor der Abteilung für gastrointestinale metabolische Chirurgie am Weill Cornell Medical College in New York.

Denn wenn massiv adipöse Patienten sich einer bariatrischen Chirurgie unterziehen, ist mehr involviert als nur die Gewichtsreduktion, so Rubino, das Verfahren verändert die Anatomie von Magen und Darm, die beide eine maßgebliche Rolle bei der Insulinproduktion und -aktion spielen. "Und dabei sprechen wir nun nicht nur davon, dass wir den Blutzuckerspiegel senken, sondern wir induzieren eine lang andauernde Reduzierung der Hyperglykämie und eine geradezu dramatische Verbesserung der metabolischen Gesamtsituation und auch der Hypertonie", erklärt Rubino. "Es handelt sich dabei um einen so tief greifenden Effekt, das wir uns mittlerweile fragen, ob wir damit nicht die gesamte Pathophysiologie des Diabetes beeinflussen", so der Chirurg. "Natürlich ist die bariatrische Chirurgie nach dem heutigen Stand nicht für jeden diabetischen Patienten geeignet", meint Rubino, "aber wir sind dabei, neue Kriterien dafür zu entwickeln, die nicht mehr nur am Body-Mass-Index ausgerichtet sind, und wir müssen eine Balance finden zwischen dem Nutzen für den diabetischen Patienten und dem Risiko des chirurgischen Verfahrens. Wir brauchen auch randomisierte Studien, die den Nutzen der Chirurgie mit anderen Therapieverfahren vergleichen". Natürlich sei die bariatrische Chirurgie nicht ohne Risiken, aber keineswegs sei das Verfahren zu radikal, die Mortalitätsraten seien hier in den letzten Jahren um 80 % gesunken und lägen heute bei 0,2 % und damit niedriger als bei vielen anderen chirurgischen Maßnahmen, wie beispielsweise der Bypass-Chirurgie. Es mache in jedem Fall Sinn, die chirurgische Option z. B. adipösen diabetischen Patienten anzubieten, bei denen intensive nicht chirurgische Therapiemaßnahmen über einen gewissen Zeitraum nicht oder kaum zum Erfolg geführt haben. Rubinos Untersuchungen haben erstmals gezeigt, dass die Erfolge der bariatrischen Chrirurgie nicht oder nicht ausschließlich auf die Gewichtsreduktion reduziert werden können. In einigen Fällen verschwand nach der Entfernung eines kleinen Stücks des Duodenums der Typ-2-Diabetes praktisch vollständig. "Wir lernen, dass wir den Gastrointestinaltrakt mehr mit in Betracht ziehen müssen, wenn wir über Diabetes sprechen", erklärt Rubino und er ist überzeugt davon, "dass wir bei der Therapie die Rolle des Dünndarms künftig viel stärker mit ins Kalkül ziehen müssen".

Quelle: Symposium "Bariatric Surgery in the Treatment of Diabetes" bei den 69th Sessions der American Diabetes Association am 8. Juni 2009 in New Orleans

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