Gesundheitswesen 2010; 72(7): 425-432
DOI: 10.1055/s-0029-1233473
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Betriebliche Gesundheitsförderung in Netzwerkstrukturen am Beispiel des Erlanger Modells – „Bewegte Unternehmen”

Workplace Health Promotion in Network Structures – The Erlangen model of “Enterprises in Motion”H. C. Broding 1 , J. Kiesel 1 , 2 , P. Lederer 3 , R. Kötter 2 , H. Drexler 1
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 2Zentralinstitut für Angewandte Ethik und Wissenschaftskommunikation, Universität Erlangen-Nürnberg, Erlangen
  • 3Gesundheitsamt Erlangen-Höchstadt, Erlangen
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Publication Date:
12 August 2009 (online)

Zusammenfassung

Einleitung: Angesichts der Kostenexplosion im Gesundheitswesen ist evidenzbasierte Gesundheitsförderung und Prävention der einzig gangbare Weg, um das Gesundheitssystem auch in naher Zukunft noch finanzieren zu können. Da gesundheitsfördernde Maßnahmen oft nicht alle Bevölkerungsschichten erreichen, ist der Arbeitsplatz eine naheliegende Plattform für die Vermittlung gesundheitsfördernder Maßnahmen; im Netzwerk des „Erlanger Modells” wird vor diesem Hintergrund die Gesundheitsförderung als wichtiges Element in die Unternehmenskultur der Betriebe zu integrieren versucht. In der vorliegenden Arbeit wird eine erste Evaluation von Bestandteilen und Ergebnissen dieses Programms vorgelegt.

Methode: Es erfolgten Befragungen bei den Mitarbeitern der am Netzwerk „Bewegte Unternehmen” beteiligten Betriebe. Insgesamt wurden 1 748 Mitarbeiter von 6 Unternehmen und Behörden (zwischen 32 und 837 befragte Mitarbeiter) im Rahmen der Vorbereitung und Durchführung eines betrieblichen Gesundheitsprogramms nach der gesundheitlichen und beruflichen Situation am Arbeitsplatz, ihren körperlichen Aktivitäten sowie den Erwartungen an das Programm befragt.

Ergebnisse: Knapp die Hälfte der an der Befragung teilnehmenden Mitarbeiter (48%) hatte nicht vor, sich an einem der Gesundheitskurse zu beteiligen; als Gründe für eine Teilnahme wurden am häufigsten die Erwartung positiver Gesundheitseffekte (75%), positiver Effekte für das Wohlbefinden (78%), das Teamwork (32%) sowie „Spaß am Sport” (70%) angegeben. Aus den insgesamt mehr als 50 Fragen zur gesundheitlichen und beruflichen Situation am Arbeitsplatz wurden mithilfe einer Faktorenanalyse 5 Dimensionen der individuell empfundenen Belastung am Arbeitsplatz extrahiert, die folgende Aspekte beschreiben: „Zusammenarbeit mit Kollegen und Vorgesetzten”, „Sicherheit am Arbeitsplatz” „Organisation der Arbeit”, „Individuelle Beschwerden” und „Gestaltung des Arbeitsplatzes”. Zwischen den verschiedenen Unternehmen zeigten sich teilweise deutliche Unterschiede hinsichtlich dieser Faktoren; die Beschäftigten des Klinikums waren dabei eher stärker belastet als der Durchschnitt. Dagegen waren nur vergleichsweise geringe Unterschiede in der mittleren Einschätzung des Gesundheitszustandes, der Zufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen sowie dem individuellen Aktivitätsscore vorhanden.

Schlussfolgerung: Eine betriebliche und vernetzte Gesundheitsförderung ist auch und gerade für Beschäftigte im Gesundheitswesen sinnvoll. Durch differenzierte Betrachtung der Ablehnungsgründe lassen sich Ansatzpunkte für eine breitere Beteiligung der Beschäftigten an entsprechenden Programmen identifizieren.

Abstract

Introduction: Evidence-based health promotion and prevention are the only means to meet the future economic challenges in health care. Since preventive measures do not penetrate all strata of society alike, the workplace is a probable platform for health education and promotion. Against this background, the network of the ‘Erlangen Model’ attempts to include health promotion as an integral part of enterprise policy; the present paper evaluates preliminary results of this programme.

Method: Questionnaires and interviews were conducted among employees of 6 companies and authorities forming the network “Agitating Enterprises”. A total of 1 748 subjects were included and answered questions about their professional and health-related situation, physical activities, and expectations in connection with the programme.

Results: Almost half of the subjects (48%) had no intention to participate in one of the programme's courses. Most frequent mentioned reasons in favour of participation were the expectation of positive effects on general health (75%), well-being (78%), team work (32%) and enjoyment of sports (70%). Factor analysis extracted 5 dimensions of occupational burden out of over 50 items: “Co-operation with colleagues and superiors”, “safety at work”, “workflow organisation”, “individual complaints” and “workplace design”. Between participating companies the expression of these dimensions varied substantially; employees of the university hospital in general reported a higher-than-average burden. In contrast, differences regarding the health status, satisfaction with employment conditions and individual activity scores were minor.

Conclusion: Health promotion at the workplace is meaningful, especially for health-care employees. Differential analyses of reasons for non-participation may reveal starting points for an improvement of attendance in health-promotion programmes.

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Korrespondenzadresse

Dr. med. H. C. Broding

Horst Christoph Broding

BGFA – Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin

der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung

Institut der Ruhr-Universität Bochum

Bürkle-de-la-Camp-Platz 1

44789 Bochum

Email: broding@bgfa.de

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