Aktuelle Neurologie 2009; 36 - P666
DOI: 10.1055/s-0029-1238759

3-Jahres-Erfahrungen mit Natalizumab (Tysabri*) bei Multipler Sklerose – Ist die Prolongation des Infusionsintervalls ein sinnvolles Behandlungskonzept?

J Kohler 1, IC Bötefür 1, H Heilmeyer-Kohler 1
  • 1Emmendingen

Zweck und Fragestellung: Natalizumab (Tysabri*) ist der erste monoklonale Antikörper (MAB) zur Behandlung der Multiplen Sklerose (MS) und dabei das mit Abstand effektivste Immuntherapeutikum. Ab dem 2. Behandlungsjahr besteht, wie bei Anwendung anderer MAB in anderen Indikationen, das Risiko einer progressiven multifokalen Leukencephalopathie (PML). Zur Risikoreduktion werden derzeit verschiedene Szenarien, z.B. drug holiday oder Deeskalation auf eine andere krankheitsmodifizierende Basistherapie nach einem Behandlungsjahr, diskutiert. Da die biologische Wirksamkeit von Tysabri (TYS) wahrscheinlich länger als 4 Wochen ist, haben wir unter den Bedingungen der Schwerpunktpraxis über einen Zeitraum von 3 Jahren Wirksamkeit und Sicherheit von TYS in der Behandlung der aktiven MS untersucht. Hierbei wurde geprüft ob die Prolongation des Infusionsintervalls von TYS ein sinnvolles Behandlungskonzept darstellt.

Patienten und Methoden: Zwischen Juli 2006 und März 2009 wurden in unserem Zentrum insgesamt 562 Infusion mit TYS durchgeführt. Davon wurden 447 Infusionen (=79,5%) bei insgesamt 21 Patienten (17 Frauen, Altersdurchschnitt 39 Jahre, range 20–63 Jahre) mit jeweils mehr als 15 Infusionen/Patient (range 16–26 Infusionen) ausgewertet. Im ersten Behandlungsjahr wurde ein Infusionsintervall von 4 Wochen eingehalten. Ab der 13. Infusion wurde individuell das Infusionsintervall schrittweise auf maximal 12 Wochen prolongiert.

Ergebnisse: Im ersten Behandlungsjahr waren alle Patienten in einem stabilen Zustand (keine Schübe, keine klinische oder MRT-Progression. Während der Prolongationsphase mit verlängerten Infusionsintervallen kam es im zweiten Behandlungsjahr bei 2/21 Patienten zu einer neuerlichen Exazerbation mit schwerem steroidpflichtigem Krankheitsschub. 2/19 Patienten mit einem letzten Infusionsintervall von 12 Wochen brachen die Behandlung nach 18 bzw. 19 Infusionen wegen einer Schwangerschaft ab. Bei einer Patientin wurde die Behandlung nach 23 Infusionen und einem Infusionsintervall von 12 Wochen auf eigenen Wunsch beendet. Relevante substanzspezifische unerwünschte Wirkungen von TYS sind im Behandlungsverlauf nicht aufgetreten.

Schlussfolgerungen: Unsere Erfahrungen in der Behandlung der MS mit TYS über einen Zeitraum von fast 3 Jahren bestätigen die bisherigen Erfahrungen. TYS ist eine effektive und sichere Behandlung der aktiven MS. Zur Senkung des Risikos einer PML kann auch eine Prolongation des Infusionsintervalls ein sinnvolles Behandlungskonzept sein.