Zeitschrift für Phytotherapie 2009; 30(4): 159
DOI: 10.1055/s-0029-1239332
Gasteditorial

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Sägepalme bei BPH: Cochrane-Review mit groben Fehlern

Christoph Bachmann Luzern
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Publication Date:
28 August 2009 (online)

Die Reviews der Cochrane Collaboration, die regelmäßig zu bestimmten Themen publiziert werden, gelten in der Medizin als höchste Stufe der Evidenz. Bei der Cochrane Collaboration handelt es sich um ein globales Netzwerk von freiwilligen und unabhängigen Wissenschaftlern, die in der virtuellen Cochrane Library systematische Reviews über medizinische Behandlungsmethoden veröffentlichen. Das kürzlich erschienene Review über die Wirksamkeit von Serenoa repens bei benigner Prostatahyperplasie (BPH) ([1]) hat aus den genannten Gründen in Phytotherapie-Kreisen für großes Aufsehen gesorgt. Denn die Schlussfolgerung der Autoren war eindeutig: Serenoa repens was not more effective than placebo for treatment of urinary symptoms consistent with BPH. (Serenoa repens war nicht wirksamer als Placebo bei der Behandlung von BPH).

Man kann sich nun auf den Standpunkt stellen, ein Cochrane-Review genieße höchstes Ansehen und sei quasi unantastbar. Darum könne eine allfällige Kritik an einem Cochrane-Review nur negative Folgen haben. Aber auch ein solches Review ist (nur) eine Publikation, deren Resultate der wissenschaftlichen Überprüfung standhalten müssen und von einem gesunden Zweifel in Frage gestellt werden dürfen. Denn Zweifel ist eine urmenschliche Verhaltensweise. Und tatsächlich, bei der genauen Lektüre des Reviews findet man viele Ungereimtheiten, die seine Aussagekraft erheblich in Zweifel ziehen! Die Autoren machen u.a. die Aussage, die Sägepalme sei bei der Verbesserung des Internationalen Prostata Symptomen-Score (IPSS) und der Nykturie gegenüber Finasterid, Tamsulosin und Placebo nicht überlegen. Auch bei der Veränderung des Prostata-Volumens stellten die Autoren zwischen Serenoa repens und Placebo keinen Unterschied fest. Daraus zogen sie die Schlussfolgerung, Serenoa repens sei Placebo nicht überlegen, bei BPH also nicht wirksam.Wenn aber zwischen Sägepalme und Finasterid bzw. Tamsulosin bei den beiden wichtigen Symptomen IPSS und Nykturie kein Unterschied besteht, dann hätten die Autoren als logisch zwingende Schlussfolgerung auch die Aussage machen müssen, dass die beiden etablierten Wirkstoffe Finasterid und Tamsulosin ebenfalls nicht wirksam seien. Dieses Fazit sucht man aber vergeblich!

Wenn man die für das Review verwendeten Studien überprüft, fällt sofort auf, dass neben den 21 Serenoa-repens-Monopräparaten auch 9 Kombinationspräparate berücksichtigt wurden, die neben der Sägepalme einen oder mehrere weitere Wirkstoffe enthalten. Eine solche Vermischung von Mono- und Kombinationspräparaten zur Überprüfung einer Substanz ist aber unzulässig! Bei den Monopräparaten wurden verschiedene Präparate untersucht, von denen zum Teil keine Angaben über den Sägepalmen-Extrakt gemacht wurden. Die Autoren haben also die Verschiedenartigkeit unterschiedlicher Extrakte nicht beachtet und die Tatsache ignoriert, dass nur identische Extrakte miteinander verglichen werden dürfen. Obwohl die Autoren erwähnt haben, dass in den verschiedenen Studien zum Teil unterschiedliche Dosierungen eingesetzt wurden, haben sie dieser Tatsache in der Auswertung und den Schlussfolgerungen keine Rechnung getragen.

In einer Stellungnahme einer Firma, die ein Serenoarepens-Präparat vertreibt, werden weitere gravierende Mängel des Cochrane-Reviews aufgezeigt: Die Autoren haben demzufolge bei mehreren der überprüften Studien deren Zielsetzung, das Studiendesign oder auch die Resultate falsch zitiert. In einem Fall waren die wirklichen Resultate sogar das Gegenteil von dem, was die Review-Autoren als Resultat erwähnten. Weiter stellt die Firma in ihrer Stellungnahme das Vorgehen bei der biometrische Auswertung der Daten infrage.

Diese Tatsachen lassen nur eine Schlussfolgerung zu: Das Cochrane-Review über die Wirksamkeit von Serenoa repens bei BPH hat große Mängel. Die Schlussfolgerungen der Autoren halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand. Dies sollte bei der Diskussion über die Wirksamkeit von Sägepalmen-Präparaten bei benigner Prostatahyperplasie beachtet werden. Mit dieser Kritik wird natürlich nicht die Institution Cochrane Collaboration als solche angezweifelt, sondern nur das besprochene Review!

  • 1 Tacklind J, MacDonald R, Rutks I, Wilt TJ. Serenoa repens for benign prostatic hyperplasia. Cochrane Database Syst Rev 2009 (Issue 2) CD001423

Dr. Christoph Bachmann Luzern

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