Suchttherapie 2009; 10 - S441
DOI: 10.1055/s-0029-1240331

Alkoholpolitik zwischen Wissenschaftlichkeit und Ideologie

A Springer 1
  • 1Ludwig-Boltzmann-Institut für Suchtforschung, Wien, Österreich

Die aktuelle europäische Alkoholpolitik beruft sich auf objektive wissenschaftliche Begründungen. Dabei wird vernachlässigt, dass die alkohol- und alkoholproblem-bezogene Forschung sich innerhalb eines gesellschaftspolitischen Spannungsfelds abspielt und auch die Forschung zu Alkoholproblemen von ideologischen Positionierungen mit bestimmt ist. Von den Anfängen dieser wissenschaftlichen Disziplin an waren ihre prominentesten Vertreter auch gleichzeitig Vertreter einer bestimmten gesundheitspolitischen Ausrichtung, die ihre Forschung explizit in den Dienst ihrer Einstellung stellten, deren politische Umsetzung sie mittels ihrer Befunde anbahnen wollten. Aus dieser Position ergibt sich eine besondere ethische Verantwortlichkeit der Forschung. Ein wissenssoziologisch und historisierend ausgerichteter Rückblick auf die Entwicklung und bestimmte Irrwege der politischen Nutzung von Forschungsergebnissen innerhalb der Alkoholpolitik lässt erkennen, dass die Vermischung von wissenschaftlichen und ideologischen Zielvorstellungen dazu beitragen kann, dass ideologisch brauchbare Ergebnisse der Forschung überbewertet und eventuell auch auf Kosten der wissenschaftlichen Wahrheitsfindung und Objektivität unüberprüft behauptet werden. Da insbesondere auf diese Weise generierte und präsentierte Ergebnisse der Forschung auch zu tagespolitisch populistischen Zwecken missbraucht werden können, erwächst den Wissenschaftlern eine besondere Verantwortlichkeit hinsichtlich der Auswahl der politischen Verbündeten und der Mittel, die eingesetzt werden, um die Ziele der auch von ihnen selbst vertretenen gesundheitspolitischen Ideologie zu erreichen.