Suchttherapie 2009; 10 - S451
DOI: 10.1055/s-0029-1240335

‘Flexibilisierung des Heroinkonsums bei möglichst tiefer Methadondosis’: Das hierarchische Faktorenmodell der Patienteneinstellungen zum Methadon und Zusammenhänge zur Veränderungsbereitschaft im Rahmen des Transtheoretischen Modells (TTM)

L Boesch 1, H Hunziker 1, R Stohler 1
  • 1Psychiatrische Universitätsklinik Zürich-Zentrum für Abhängigkeitserkrankungen, Zürich, Schweiz

Einleitung: Der Zusammenhang der typischen Patienteneinstellungen zum Methadon (hierarchisches Faktorenmodells nach Boesch et al., 2008) mit den Veränderungsstadien des Transtheoretischen Modells (TTM) soll untersucht werden. Insbesondere wird die Hypothese geprüft, dass die Orientierung auf den Methadon-Entzug gleich stark mit aktiver Verhaltensänderung (TTM-Action) korreliert wie die Orientierung auf eine Rehabilitation unter Methadonsubstitution. Methoden: 125 Methadonsubstitutions-Patienten aus Behandlungseinrichtungen der Stadt Zürich (Schweiz) haben eine 61-Item Version des Methadon-Einstellungs-Inventars (Boesch et al., 2008, 2005) und die Kurzversion der Veränderungsstadien-Skala (VSS-k; Fecht et al., 1998) ausgefüllt. Die Daten sind anhand Itemanalysen, Hauptkomponenten- und Hauptachsenanalysen und Produkt-Moment Korrelationen ausgewertet worden. Ergebnisse: Bei der VSS-k lässt sich nur die Action-Skala faktorenanalytisch replizieren. Die VSS-k-Action-Skala korreliert positiv mit den Sekundärfaktoren Methadon-Entzugs-Orientierung (r=.37; p<0.001) und Rehabilitation-mit-Methadon-Orientierung (r=.27; p<0.01). Zwischen beiden Korrelationen besteht kein signifikanter Unterschied (z=0.804; p>0.05). Zwischen dem Tertiärfaktor Flexibilisierung-des-Heroinkonsum-bei-möglichst-tiefer-Methadondosis-Orientierung und der Action-Skala besteht keine signifikante Korrelation (r=.07; p>0.05). Diskussion: Bei der Beurteilung der Veränderungsmotivation der Patienten in Methadonsubstitution sollten die Einstellungen zum Methadon mit einbezogen werden. Die fehlende Korrelation des Tertiärfaktors zur aktiven Verhaltensänderung ist ein Hinweis auf dessen Unabhängigkeit von sozial erwünschtem Antwortverhalten. Die Skalen des Methadon-Einstellungs-Inventars (MEI–40) ermöglichen die Erfassung der Patienteneinstellungen auf den drei Ebenen des hierarchischen Faktorenmodells.

Bei der Beurteilung der Veränderungsmotivation von Patienten in Substitutionsbehandlung mit Methadon ist es wichtig, genau zu erfassen, worauf sich die Veränderungsmotivation bezieht. Geht es dem Pat. in erster Linie darum, die Methadondosis immer weiter zu reduzieren, oder zielt der Pat. auf Rehabilitationsschritte bei eher stabiler Methadondosis. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwiefern die Einstellungen zum Methadon durch sozial erwünschtes Antwortverhalten beeinflusst sind. Die Methadon-Entzug-Orientierung widerspiegelt häufig Erwartungen des Umfelds des Pat., endlich suchtfrei (und damit auch frei von Methadon) zu werden. Die Rehabilitation-mit-Methadon-Orientierung widerspiegelt ziemlich genau die Sicht der Anbieter von Substitutionsbehandlungen: Unter stabiler Substitution Rehabilitationsschritte bewältigen. Der Tertiärfaktor könnte auf die „wahre“ Patienteneinstellung verweisen: Substitution mit Methadon nur, wenn die Dosis möglichst tief ist und die Möglichkeit zum Heroinkonsum bestehen bleibt. Der Einbezug dieser Einstellung in die begleitenden Gespräche erscheint wichtig für die Förderung der Stabilität der Substitutionsbehandlung.

Literatur: Boesch, L., Hunziker, H. & Stohler, R. (2008). Erfassung der Patienteneinstellungen zum Methadon: das Methadon-Einstellungs-Inventar (MEI-40). Sucht 54 (3), 182. Boesch, L., Hunziker, H. & Stohler, R. (2005). Erfassung der Patienteneinstellungen zur Verbesserung der Substitutionsbehandlung der Heroinabhängigkeit. Suchtmedizin in Forschung und Praxis, 2, 139-140. Fecht, J., Heidenreich, T., Hoyer, J., Lauterbach, W. & Schneider, R. (1998). Veränderungsstadien bei stationärer Alkoholentwöhungsbehandlung – Probleme der Diagnostik. Verhaltenstherapie und psychosoziale Praxis, 30, 403-419.