Suchttherapie 2009; 10 - S912
DOI: 10.1055/s-0029-1240415

Einfluss komorbider Angst- und/oder depressiver Störungen auf die Effektivität alkoholbezogener Kurzinterventionen bei Hausarztpatienten mit problematischem Alkoholkonsum/ alkoholbezogenen Störungen

J Grothues 1, G Bischof 1, S Reinhardt 2, C Meyer 3, U John 4, HJ Rumpf 1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, Lübeck
  • 2Helios Kliniken Schwerin, Schwerin
  • 3Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin, Universität Greifswald, Greifswald
  • 4Universität Greifswald, Greifswald

Hintergrund: Bislang liegen kaum Daten zur Wirksamkeit alkoholbezogener Kurzinterventionen (KI) bei komorbiden Angst- und/oder depressiven Störungen vor.

Methoden: Daten von 408 Hausarztpatienten mit Alkoholabhängigkeit oder –missbrauch nach DSM-IV, Risikokonsum oder Binge Konsum, wurden im Rahmen einer randomisierten Kontrollgruppenstudie mit zwei Interventionsgruppen und einer Kontrollgruppe sowie 12-Monats-Katamnese erhoben. Probanden mit (n=88) und ohne komorbide Störungen wurden in Bezug auf Trinkmengenreduktion (Gramm/Alkohol anhand sechs geordneter Kategorien) und Inanspruchnahme von Hilfen verglichen.

Ergebnisse: KI waren sign. assoziiert mit einer Reduktion der Trinkmenge in der komorbiden (–2.64g/Alkohol vs. –8.61g/Alkohol; p=.03), jedoch nicht in der nicht-komorbiden Substichprobe (–22.06g/Alkohol vs. –22.09g/Alkohol; p=.76). Eine ordinale Regressionsanalyse ergab Komorbidität als sign. Prädiktor für Trinkmengenreduktion (estimator=.594; CI=.175–1.013; p<.01). Bei Hinzufügen der Variablen Trinkmenge zur Baseline, Intervention und Klassifikation problematischen Alkoholkonsums ergaben diese Variablen signifikante Prädiktoren, während Komorbidität einen tendenziellen Einfluss erhielt. KI waren sign. assoziiert mit einer Erhöhung der Inanspruchnahme bei nicht-Komorbiden (Chi2=4.54; df=1; p<.05), jedoch nicht bei Komorbiden (Chi2=.40; df=1; p=.60). Eine gestufte logistische Regressionsanalyse zeigte Komorbidität (OR=1.81; CI=1.14–2.88; p=.01) und frühere Inanspruchnahme von Hilfen (OR=15.98; CI=6.10–41.85; p<.001) als positive Prädiktoren für die Inanspruchnahme von Hilfen.

Schlussfolgerung: Bei komorbiden Probanden zeigten sich stärkere Trinkmengenreduktionen und eine stärkere Inanspruchnahme von Hilfen, welche jedoch nicht durch KI beeinflusst waren. Der höhere Anteil von Abhängigen in der komorbiden Substichprobe die Effektivität von KI beeinträchtigt haben. Die Daten legen insgesamt nahe, dass Komorbide spezifischere Interventionen benötigen.