Suchttherapie 2009; 10 - PO02
DOI: 10.1055/s-0029-1240435

Von der Kontraindikation zur Indikation: Besondere Bedingungen der Alkoholentwöhnungsbehandlung bei Leberzirrhose

A Peters 1, W Sander 1, T Rottschäfer 1
  • 1AHG Klinik Schweriner See, Lübstorf

Fragestellung: In der Klinik Schweriner See werden seit einigen Jahren auch bei alkoholabhängigen Patienten mit Leberzirrhose stationäre Entwöhnungsbehandlungen durchgeführt, da schwere internistische Folgeerkrankungen einer Alkoholabhängigkeit nicht mehr zu den Kontraindikationen für eine Aufnahme zählen (Fischer et al., 2006). Charakteristisch für diese Patientengruppe scheint jedoch eine geringe Einsichtsfähigkeit in die Schwere der Erkrankung zu sein (Zillessen, 2001). Dieser klinische Eindruck soll geprüft werden, um schließlich eine Anpassung des therapeutischen Vorgehens zu diskutieren.

Methodik: Es erfolgt ein Vergleich von 80 stationär behandelten alkoholabhängigen Leberzirrhosepatienten mit Alkoholabhängigen ohne Leberzirrhose hinsichtlich soziodemografischer Daten, Krankheitsmerkmale, psychischer Belastung (SCL–90-R; Franke, 2002) und alkoholbezogener Erlebens- und Verhaltensweisen (TAI; Funke, 1987).

Ergebnisse: Patienten mit Leberzirrhose leben häufiger in einer Beziehung und sind häufiger berentet. Die Dauer der Abhängigkeit ist länger und das Alter bei Behandlungsbeginn höher. Die Anzahl psychischer Diagnosen ist geringer. In der SCL–90-R zeigt sich eine geringere psychische Belastung, lediglich körperliche Beschwerden sind stärker. Im TAI werden Schweregrad der Abhängigkeit und Ausmaß körperlicher Folgeschäden als geringer erlebt.

Schlussfolgerungen: Eine Anpassung des therapeutischen Vorgehens für Patienten mit Leberzirrhose ist notwendig. Aufgrund der Chronifizierung der Alkoholabhängigkeit bedürfen sie damit mehr Unterstützung bei der Entwicklung eines abstinenten Lebenskonzeptes, das an den körperlichen Einschränkungen orientiert ist. Vor dem Hintergrund der als gering erlebten psychischen Belastung sollte insbesondere der Aufbau von Krankheitseinsicht fokussiert werden, um eine nachhaltige Veränderungsmotivation zu entwickeln.

Literatur: Fischer, T. et al. (2006). Therapiekonzept der Klinik Schweriner See. Lübstorf. Franke, G. (2002). Die Symptomcheckliste von Derogatis – Deutsche Version - Manual (2. Auflage). Göttingen: Hogrefe. Funke, W., Funke, J., Klein, M. & Scheller, R. (1987). Trierer Alkoholismusinventar (TAI). Handanweisung. Göttingen: Hogrefe. Zillessen, E. (2001). Was leistet die Rehabilitation von Patienten mit Leberzirrhose. Schriften zur Rehabilitation: Leberzirrhose – Ausgewählte klinische, therapeutische und sozialmedizinische Fragen (S. 155-161). Berlin: Kästner.