Suchttherapie 2009; 10 - PO55
DOI: 10.1055/s-0029-1240483

Versorgungskrise durch Beendigung der Substitutionsvergabe einer Großpraxis – Chancen der Krisenbewältigung durch regionale Vernetzung

KF Spiske 1, M Winterscheid 1, M Hey 1, A Klee 1, M Banger 1
  • 1LVR- Klinik Bonn, Abteilung für Suchterkrankungen und Psychotherapie, Bonn

Hintergrund: Am Samstag den 7.2.2009 beendete ein Bonner Arzt die Substitutionsvergabe ohne Ankündigung. Akut entstand eine Versorgunglücke für 440 Substitutionspatienten.

Methode: Innerhalb von 24 Stunden wurde eine Notsubstitution unter folgenden Kriterien eingerichtet: (1) Bereitstellung einer ausreichenden Menge Substitutionsmittel, (2) Notdokumentationssystem für Personalien, Indikation, Befunde und Vergabe, (3) ausreichende personelle Ausstattung mit 7 Arbeitsplätzen (zwei in der Substitution erfahrene Fachärzte, Sozialarbeiter), (4) Vermeidung von Doppelvergabe durch zentrale Abwicklung der Notversorgung, (5) rasche Bekanntmachung des Angebotes der Notsubstitution und (6) vernetztes Vorgehen im Suchthilfesystem bei der Sicherung der Notsubstitution und umgehenden Weitervermittlung in Substitution und psychosoziale Betreuung etc.

Resultate: Innerhalb von 2 Wochen gelang die Aufnahme von 280 Patienten im Alter zwischen 21 bis 58 Jahren in die Notsubstitution, davon 59 Frauen (21,7%); von den fehlenden bis zu 160 Patienten liegen keine Informationen vor. 167 Patienten erreichten die Notvergabe nach einer Latenz von mehr als einem Tag (59,6%), 48 Patienten (17,1%) mit Umweg über mindestens einen weiteren Arzt, 122 der Patienten (43,6%), die in der Notvergabe ankamen, erlitten unter den Bedingungen des Versorgungsausfalles einen Substanzrückfall.

Schlussfolgerung: Die Einstellung der Substitution durch einen niedergelassenen Arzt hat zu einer Versorgungskrise geführt. Für einen solchen Fall fehlen ausreichende Controlling- Strukturen und Pläne zur Krisenbewältigung. Andererseits konnte gezeigt werden, dass bei guter vernetzter Zusammenarbeit aller beteiligten Institutionen die Krise bewältigt und größerer Schaden für die Betroffenen abgewendet werden kann. Die vorliegende Krise wirft zahlreiche Fragen auf im Hinblick auf die praktische Umsetzung und Sicherung einer qualitativ hochwertigen Evidenz- basierten Substitutionsbehandlung.