Der Klinikarzt 2009; 38(7/08): 315
DOI: 10.1055/s-0029-1240506
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Der Notfall in der Krise?

Burckart Stegemann
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Publication Date:
28 August 2009 (online)

Wird außerhalb der Sprechstundenzeiten dringend ärztliche Hilfe gebraucht, erwartet man einen für Notfälle gut ausgebildeten Arzt, der die Situation richtig einschätzen und gezielt handeln kann. Doch findet man den auch vor, wenn man den ärztlichen Notfalldienst alarmiert oder aufsucht?

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind per Gesetz verpflichtet, einen Notfalldienst außerhalb der üblichen Praxen–Öffnungszeiten zu gewährleisten und können dafür alle niedergelassenen Ärzte dienstverpflichten. Dabei spielt es keine Rolle, welche Fachrichtung ein Arzt vertritt. Demnach müssen also auch z. B. Strahlentherapeuten, Hautärzte oder Pathologen am Notfalldienst teilnehmen.

Reicht dafür die vom Gesetzgeber lediglich geforderte ärztliche Grundausbildung aus? Kann ein Hautarzt oder gar Pathologe eine Blinddarmentzündung, vielleicht sogar bei einem Kind, sicher diagnostizieren oder ausschließen? Dieses kann jederzeit von ihm verlangt werden und eine Fehlentscheidung könnte durchaus lebensbedrohlich sein.

Weigern kann sich der betroffene Arzt nicht, sonst steht seine Approbation auf dem Spiel. In ländlichen Gebieten fehlen längst Allgemeinmediziner, die den Notdienst qualifiziert abdecken könnten. So kann es zu prekären Situationen kommen, in denen z. B. ein Psychiater mit Notfällen konfrontiert wird, die weit ab von der sogenannten „sprechenden Medizin” etwas von ihm verlangen, dem er nicht wirklich nachkommen kann und das hat durchaus etwas krisenhaftes. Das ist im Prinzip auch schon bei der Bevölkerung angekommen. Allerdings gründen sich zunehmend auch schon Notfallpraxen, die rund um die Uhr fachkompetente Hilfe anbieten. Besonders in Ballungsgebieten gehen Patienten unabhängig davon vielfach gleich in die Notfallambulanzen der Krankenhäuser zum dortigen Bereitschaftsdienst, der rund um die Uhr von Fachpersonal besetzt ist. Dieser wird zumeist von Ärzten parallel zum Hausdienst durchgeführt. Nicht nur dadurch, sondern oft auch durch enormen Andrang und die vielen artfremden Tätigkeiten, die Ärzten heute aufgebürdet werden, entwickeln sich leider lange, z. T. auch nicht hinnehmbare Wartezeiten.

Noch schlimmer ist aber, wenn ein Notfall nicht mehr angenommen werden kann, z. B. wegen Überlastung des Personals oder Ausschöpfung der Kapazitäten für Notfälle. Ganz verwerflich wäre eine Ablehnung aus Kostengründen, die zwar nie zugegeben wird, aber in der heutigen Zeit der Finanzregentschaft im Krankenhaus durchaus vorstellbar wäre.

Also doch eine Krise in der Versorgung von Notfällen?

Die rundum sehr gute Versorgung in der Medizin ist eindeutig politisch nicht mehr gewollt und vielleicht auch nicht mehr bezahlbar. Der Tenor liegt heute auf „ausreichend”! Damit werden auch die an der Notfallversorgung Beteiligten ziemlich rigoros konfrontiert.

Die Reaktion ist aber nicht Resignation oder Gleichgültigkeit sondern ganz eindeutig das verstärkte Bemühen, noch das Beste aus dieser Situation herauszuholen. Es werden nicht nur Notfallpraxen gegründet sondern auch Notfallzentren in Kliniken, oder Traumazentren, die sich zertifizieren lassen und damit vorbildliche Strukturen aufweisen, auf die man sich verlassen kann.

Bereist man jedoch einmal andere Länder und studiert die Abläufe bei Notfällen, dann ist plötzlich der Gedanke an das Wort „Krise”, im Zusammenhang mit der Notfallversorgung, verflogen.

Prof. Dr. med. Burckart Stegemann

Hagen

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