pferde spiegel 2009; 12(4): 146
DOI: 10.1055/s-0029-1240713
editorial

© Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Editorial

Kai Kreling
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
14. Dezember 2009 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

irgendetwas läuft verkehrt! Schlägt man die Seite der Stellenanzeigen im deutschen Tierärzteblatt auf oder spricht mit selbstständigen Tierärztinnen/Tierärzten landauf, landab, dann stellt sich fast immer das gleiche Bild dar. Es gibt viel Arbeit – aber freie Stellen für Tierärzte können nicht zufriedenstellend besetzt werden. Demgegenüber wurde z. B. auf dem Deutschen Tierärztetag in Saarbrücken, aber auch immer wieder auf anderen Veranstaltungen über die unbefriedigende Arbeitssituation für Assistenztierärztinnen und ‐tierärzte diskutiert. Da ist auf der einen Seite ein großes Arbeitsvolumen, das nur schwer bewältigt werden kann – und auf der anderen Seite sind die Arbeitsbedingungen nicht zufriedenstellend! Die Pferdepraxis/-klinik ist ein typisches Beispiel dafür.

Das passt nicht zusammen! Gibt es viel Arbeit, dann müsste dort auch Geld verdient werden, mit dem die Entlohnung dieser Arbeit und günstigere Arbeitsbedingungen finanziert werden könnten.

Stellt sich unter dem Strich die Frage, wie dieses Dilemma zustande kommt. Entweder es gibt zu wenige Tierärztinnen/Tierärzte. Dem ist offensichtlich nicht so, denn laut Statistik werden zahlenmäßig jedes Jahr mehr Tierärzte ausgebildet als die, die aus den verschiedensten Gründen aus dem Beruf ausscheiden. Ca. 1000 Absolventen verlassen in jedem Jahr die deutschen Universitäten. 300 „Nachwuchstierärzte“ werden statistisch in der Praxis benötigt. Offensichtlich kommen sie dort aber nicht an.

Auf der anderen Seite werden schlechte Arbeitsbedingungen diskutiert. Extreme Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung sind wesentliche Argumente, weshalb junge Tierärztinnen und Tierärzte speziell im Bereich der Pferdepraxis nicht arbeiten wollen. Das Interesse für die Pferdepraxis ist grundsätzlich vorhanden, der Stellenwert „Freizeit“ aber bei der Bewertung einer attraktiven Arbeitsstelle deutlich in den Vordergrund gerückt.

Ein ewiger Diskussionspunkt ist die Abrechnung nach dem Einfachsatz der GOT. Trotz der schwierigen Personalsituation auf dem Arbeitsmarkt hat sich die Abrechnungspraxis in der Pferdemedizin nur zögernd und noch immer nicht flächendeckend der aktuellen GOT angepasst. Wird aber kein vernünftiges Geld verdient, dann kann auf der anderen Seite auch kein entsprechendes Gehalt für die Assistentin/den Assistenten bezahlt werden. Eine Tierärztin/einen Tierarzt mehr einzustellen, um die Arbeit auf mehreren Schultern und die Dienste verträglich gleichmäßiger zu verteilen, wird durch die „Billigabrechnung“ unmöglich.

Unter dem Strich leidet die Arbeitsqualität derjenigen, die in der Pferdepraxis tätig sind. Das macht mittel- und langfristig dann auch keinen Spaß mehr und senkt den Zufriedenheitseffekt des Einzelnen, Praxisinhaber wie Praxisassistent. Ein Teufelskreis!

Also – was muss passieren?

Die Attraktivität des Berufs des Pferdepraktikers muss offensichtlich verbessert werden. Vernünftige Arbeitszeiten, gute Bezahlung, moderne medizinische Ausstattung und die Möglichkeit zur Weiterbildung sind dazu wichtige Voraussetzungen und werden in vielen Diskussionen von jungen Kollegen als Voraussetzungen für die Tätigkeit in der Pferdepraxis vorgetragen.

Das Argument, das alles sei nicht zu finanzieren, darf hier nicht gelten – zumindest solange nicht nach GOT flächendeckend abgerechnet wird. Basis für eine Verbesserung der heutigen Situation ist die leistungsgerechte Abrechnung. Für gute Arbeit muss auch gutes Geld bezahlt werden!

Dieses Ziel, auch wenn schon oft angemahnt, muss Ausgangspunkt für alle weiteren Entwicklungen sein. Wird dieses Ziel weitgehend überall erreicht, können wir unsere Arbeitsplätze zeitgemäß konfigurieren. Je mehr Kolleginnen und Kollegen sich daran halten, desto einfacher lässt sich eine gesunde Kalkulation am Markt durchsetzen. Die Attraktivität des Arbeitsplatzes „Pferdepraktiker“ wäre auch wieder besser für die nachfolgende Tierärztegeneration nachvollziehbar. Unter diesem Aspekt sollte es jedem selbstständigen Praktiker leicht fallen, seine Kalkulation noch einmal zu überdenken. Ohne das werden alle unsere medizinischen Themen mittel- und langfristig immer mehr in den Hintergrund unserer täglichen Arbeit treten.

Eine gesunde Kalkulation durchzuführen ist gar nicht so schwierig. Man muss sich allerdings die Zeit dafür nehmen. Auch bei uns Tierärzten gilt, dass das Geld am Schreibtisch verdient wird. Ich hoffe, dass wir Sie auch in diesem tierärztlich-unternehmerischen Tätigkeitsfeld motivieren können, Ihren Betrieb zukunftssicher und mit einem gewissen Spaßfaktor zu führen.

Mit etwas Selbstbewusstsein können wir Pferdetierärzte das schaffen. Wir müssen es nur tun. Viel Erfolg!

Ihr
Kai Kreling

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