Dtsch Med Wochenschr 2009; 134(51/52): 2612-2618
DOI: 10.1055/s-0029-1243068
Weihnachtsheft

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Medizin und griechische Tragödie

Medicine and Greek TragedyF. P. Moog1
  • 1Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Universität zu Köln
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Publication Date:
09 December 2009 (online)

Tragisches im Alltag

Der Begriff des Tragischen findet sich heute auf allen Ebenen der deutschen Sprache, auch und gerade bei alltäglicher oder sogar betont lockerer Ausdrucksweise. Meist geht es dabei um Zusammenhänge von Tod, Grauen, Qual, Unglück oder Krankheit, insbesondere wenn es sich um unvorhergesehene Ereignisse handelt oder etwa Kinder oder Jugendliche die bedauernswerten Opfer sind: So kann der Abgang einer Lawine das tragische Ende eines übermütigen Skiausflugs – gerade jetzt zur Winterszeit – darstellen. Eine Bluttat unter Verwandten wird Familientragödie genannt. Eine tragische Verwechselung liegt vor, wenn durch zufällige Namensgleichheit oder äußerliche Ähnlichkeit ein Mensch zu Schaden kommt, etwa im Krankenhaus die falsche Medikation erhält oder aber als Unschuldiger an der Grenze festgenommen wird. Salopper bezeichnet man im Sport den Fußballspieler als den tragischen Helden einer Partie, der etwa nach durchaus gutem Spiel in der Nachspielzeit ein Eigentor schießt und so seine Mannschaft um den Sieg bringt. Ebenso wird oft auch der Unglücksrabe tituliert, der im Elfmeterschießen den entscheidenden Strafstoß nicht verwandeln kann. All dies hat etwas von der antiken Begrifflichkeit des Tragischen oder der Tragödie, doch um ihr Wesen näher kennenzulernen und zu verstehen, muss man wesentlich weiter ausholen und vor allem weit in der europäischen Kultur- und Literaturgeschichte zurückgehen [18] [24] [27].

Literatur

  • 1 Andree O. Die Wirkung von Literatur und Dichtung auf Patienten in einer rationalen Psychotherapie.  Psychiatrie, Neurologie und Medizinische Psychologie. 1969;  21 152-156
  • 2 Bendz G. Caelius Aurelianus. Akute Krankheiten Buch I-III, Chronische Krankheiten Buch I-V.  Hrsg.: Bendz G †, Übersetzt von Ingeborg Pape Teil I: Akute Krankheiten I-III; Chronische Krankheiten I-II. Berlin; Akademie Verlag 1990: 526-527
  • 3 Burfeind C. Wen hörte Philippus? – Leises Lesen und lautes Vorlesen in der Antike.  Zeitschrift für die Neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche. 2002;  93 138-145
  • 4 Collinge N E. Medical Terms and Clinical Attitudes in the Tragedians.  Bulletin of the Institute of Classical Studies. 1962;  9 43-55
  • 5 Connolly A. Was Sophocles heroised as Dexion?.  The Journal of Hellenic Studies. 1998;  118 1-21
  • 6 Cysarz D, v. Bonin D, Lachner H, Heusser P, Moser M, Bettermann H. Oscillations of heart rate and respiration synchronize during poetry recitation.  American Journal of Physiology – Heart and Circulatory Physiology. 2004;  287 579-587
  • 7 Guardasole A. Tragedia e medicina nell’ Atene de V secolo a. C. Neapel; M. D’Auria Editore 2000
  • 8 Hoessly F. Katharsis: Reinigung als Heilverfahren, Studien zum Ritual der archaischen und klassischen Zeit sowie zum Corpus Hippocraticum. Göttingen; Vandenhoeck & Ruprecht 2001
  • 9 Kassel R. Aristotelis de arte poetica liber, Recognovit brevique adnotatione critica instruxit Rudolfus Kassel, Korrigierter Reprint der Erstauflage. Oxford; E typographeo Clarendoniano 1966
  • 10 Kiefer K. Körperlicher Schmerz und Tod auf der attischen Bühne. Heidelberg; Carl Winter’s Universitätsbuchhandlung 1909
  • 11 Kosak J C. Polis nosousa: Greek ideas about the city and disease in the fifth century BC. In: Hope VM, Marshall E Death and Disease in the Ancient City. London u.a; Routledge 2000: 35-54
  • 12 Lurje M. Die Suche nach der Schuld – Sophokles’ Oedipus Rex, Aristoteles’ Poetik und das Tragödienverständnis der Neuzeit. München u.a.; K. G. Saur 2004
  • 13 Melchinger S. Die Welt als Tragödie, Band 2, Euripides. München; Verlag C. H. Beck 1980
  • 14 Miller H W. Medical Terminology in Tragedy.  Transactions and Proceedings of the American Philological Association. 1944;  75 156-167
  • 15 Moog F P. Im Auftrag des Asklepios – Die wundersame Mission der Anyte von Tegea.  Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde. 2001;  7 197-212
  • 16 Moog F P. Medizin und Dichtung (Antike).  In: Gerabek WE, Haage BD, Keil G, Wegner W, Enzyklopädie Medizingeschichte. Berlin u.a; Walter de Gruyter 2005: 927-928
  • 17 Moog F P. Hippokrates und Euripides – Interferenzen von dramatischer Dichtung und medizinischem Schrifttum in der griechischen Klassik, Universität zu Köln: Masch. Habilitationsschrift, (Buchfassung in Vorbereitung). 2005
  • 18 Murray G. Euripides und seine Zeit. Darmstadt; Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1957 (Übersetzung der 13. (2. vermehrten) Auflage, Oxford 1955.)
  • 19 Nestle W. Euripides, Der Dichter der griechischen Aufklärung. Aalen:. Scientia Verlag 1985 (2. Neudruck der Ausgabe Stuttgart 1901)
  • 20 Pommé B, Scouras Ph. L’ epilepsie dans Euripide.  Aesculape. 1932;  22 146-151
  • 21 de Romilly J. La modernité d’Euripide. Paris; Presses Universitaires de France 1986
  • 22 Rudolf J. Das prärationale Konzept der Heiligen Krankheit und seine Darstellung in der attischen Tragödie des 5. Jahrhunderts vor Christus.  Schriftenreihe der Deutschen Gesellschaft für Geschichte der Nervenheilkunde. 2001;  7 267-277
  • 23 Schipperges H. Die Sprache der Medizin, Medizinische Terminologie als Einführung in das ärztliche Denken und Handeln. Heidelberg; Verlag für Medizin 1988: 139
  • 24 Vickers B. Towards Greek Tragedy – Drama, Myth, Society. London; Longman 1973
  • 25 Weeber K -W. Panem et circenses, Massenunterhaltung als Politik im antiken Rom. Mainz; Verlag Philipp von Zabern 1994: 57
  • 26 Wells L. The Greek Language of Healing from Homer to the New Testament Times. Berlin u. a.; Walter de Gruyter 1998
  • 27 Zimmermann B. Die griechische Tragödie, Eine Einführung von Bernd Zimmermann. München u. a.; Artemis Verlag 1986
  • 28 Zintzen C. Griechische Tragödie in römischer Gestalt, Festschrift des Kaiser-Karls-Gymnasiums, Aachen. Aachen; Selbstverlag 1976: 175-201.

PD Dr. med. Ferdinand Peter Moog M.A.

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