Orthopädie und Unfallchirurgie up2date 2010; 5(2): 73-86
DOI: 10.1055/s-0029-1244002
Beckengürtel und untere Extremität

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Weichteilbedingte Schmerzsyndrome an Ferse und Sohle

H.-P.  Abt1 , G.  Zivko1 , O.  Neun1 , R.  Hoffmann2
  • 1Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main, Orthopädische und Traumatologische Fußchirurgie
  • 2Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main, Abteilung für Unfallchirurgie und Orthopädische Chirurgie
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Publication Date:
20 April 2010 (online)

Plantarer Fersenschmerz

Fasciitis plantaris Definition Unter plantarer Fasziitis wird eine Insertionstendopathie der Aponeurose an ihrem kalkanearen Ansatz verstanden.

Bei ca. 50 % der Patienten mit Fasciitis plantaris ist ein Fersensporn nachweisbar, die Inzidenz in der Bevölkerung liegt bei ca. 15 %.

Ätiologie Der knöcherne Fersensporn gilt übereinstimmend nicht mehr als ursächlich, sondern allenfalls noch als Auswirkung und Zeichen eines chronischen lokalen Reizzustands. Wood hat die Erkrankung bereits 1812 beschrieben und einen infektiösen Ursprung vermutet. Mit dem Aufkommen der Röntgendiagnostik wurde der knöcherne Fersensporn entdeckt und als Ursache des lokalen Reizzustands interpretiert (Steindler 1938, du Vries 1957). Dies hat sich bis heute zumindest im Volksmund erhalten. Es werden im Wesentlichen 2 mechanische Ursachen genannt: hohe Spannungskräfte der plantaren Faszie am kalkanearen Ansatz, vor allem bei der Abstoßphase durch die mit Extension der Zehen einhergehende Spannungszunahme der Plantaraponeurose (sog. Windlass-Effekt, Hicks 1954). Ferner wird während der Standphase das Körpergewicht allein von Ligamenten und knöchernen Strukturen gehalten, eine wesentliche intrinsische Muskelaktivität liegt während des Stehens nicht vor. Durch die relative Unelastizität der plantaren Faszie mit einer max. Elongation von ca. 4 % kommt es zum Reizzustand meist am kalkanearen Ansatz. Die Qualität des Fettpolsters spielt ebenfalls eine Rolle bei der Entstehung der Fasciitis plantaris. Die Belastung des plantaren Fettpolsters beträgt ca. 110 % des Körpergewichts bei normalen Gang und Stand, ca. 250 % beim Rennen. Durch den degenerativen Abbau ab ca. dem 40. Lebensjahr vermindert sich die Schockabsorption. Dies ist aber nicht auf die Dicke des Fettpolsters, sondern vor allem auf die Abnahme der Elastizität zurückzuführen. Ein gehäuftes Auftreten der Fasciitis plantaris findet sich vor allem bei Übergewicht, stehenden Berufen, Langstreckenläufern sowie kontrakten Fußfehlformen wie Knick-Senk-Fuß oder Hohlfußbildung. Diagnostik Klinik Anamnese. Die exakte Anamneseerhebung mit Berücksichtigung allgemeiner Krankheitssymptome und beruflicher und freizeitmäßiger Belastungen sowie bisheriger Behandlungsmaßnahmen ist meist richtungweisend. Als typische Zeichen einer Fasciitis plantaris gelten der Anlaufschmerz morgens und nach längerem Sitzen sowie Schmerzen nach längerer Belastung. Ein Dauerruheschmerz weist eher auf eine lokal verdrängende oder entzündliche Genese hin. Ein bilateraler Fersenschmerz weist z. B. auf einen systemischen Prozess aus dem seronegativen, rheumatischen Formenkreis hin. Schmerzen im Anschluss an ein Trauma, langdauernde Überlastung oder wiederholte Kortikoidinjektionen sind häufig durch eine Ruptur der Plantaraponeurose oder eine Ermüdungsfraktur des Kalkaneus bedingt. Klinische Untersuchung. Der Schmerz befindet sich typischerweise im medialen Abschnitt über dem Tuberculum calcanei oder im distalen Drittel der Plantaraponeurose. Die Extension der Zehen führt über die Spannungszunahme der Plantaraponeurose häufig zur Schmerzverstärkung. Hinweise gibt auch die Fußform wie z. B. der Pes cavus mit vermehrter Spannung der Aponeurose. Palpatorisch müssen Fibrome ausgeschlossen werden. Diese sind vorwiegend im mittleren Drittel der Aponeurose lokalisiert. Eine Peritendinitis der Flexor-hallucis-longus-Sehne zeigt vorwiegend einen lokalen Druckschmerz in Höhe des Chiasma plantare sowie Schmerzen der Großzehe bei Beugung gegen Widerstand. Rötung, Schwellung oder Überwärmung sowie Ruheschmerz weisen auf einen entzündlichen Reizzustand hin, z. B. durch Fremdkörper. Ermüdungsfrakturen sind radiologisch auszuschließen. Ein positives Tinel-Zeichen über dem medialen Tarsaltunnel, vor allem mit lokalem Druckschmerz über dem Verlauf des 1. Astes des lateralen plantaren Nervs (Baxter) kann eine neurogene Schmerzursache als Zeichen der Überlastung der Fußform im Sinne eines medialen Tarsaltunnelkompressionssyndroms bedeuten. Bildgebende Verfahren Röntgen. Notwendig sind Röntgenaufnahmen des belasteten Fußes in 2 Ebenen zur Beurteilung der Knochenstruktur und des Alignments, vor allem auch zur differenzialdiagnostischen Abgrenzung des Krankheitsbilds. Der eventuell vorhandene Fersensporn wird in allgemeiner Übereinstimmung allenfalls als Folge einer chronischen Entzündung, z. B. durch repetitive Traktionen, gewertet – und nicht als deren Ursache. MRT. Im MRT können bereits in der Frühphase degenerative Veränderungen der Aponeurose mit Verdickung, Teil- und Mikrorupturen mit perifokalem Ödem und Knochenmarködem erkannt werden (Lemont et al. 2003, Maier et al. 2000). Die Signalintensität wird vor allem in der T2- sowie STIR-Wichtung deutlich (Abb. 1). Abb. 1 MRT-Aufnahme einer Plantarfasziitis, seitlich (a) und koronar (b). Sonografie. Die Ultraschalluntersuchung kann ebenso zum Nachweis einer chronischen Plantarfasziitis herangezogen werden. Sonografische Kriterien sind eine Verbreiterung des Sagittaldurchmessers der Aponeurose, unscharfe Randkonturen sowie zentrale Echogenitätsminderung am Faszienursprung. Die Untersuchung ist jedoch in besonderem Maße anwenderabhängig. Erweiterte Diagnostik. Ein Tarsaltunnelkompressionssyndrom sowie Neuropathien und spinale Radikulopathien lassen sich neurologisch-elektrophysiologisch ausschließen. Die Irritation des 1. Astes der lateralen und plantaren Nerven ist jedoch durch diese Untersuchungsmaßnahme kaum fassbar, die Diagnose muss klinisch gestellt werden. Häufig liegt eine Kombination einer Fasciitis plantaris mit einem lokalen Kompressionssyndrom dieses Nervenastes durch seine anatomische Nähe zum medialen Tuberculum calcanei vor, sodass eine Dekompression im Falle einer Operation sinnvoll ist. Labor Blutbild BSG/CRP Rheumafaktoren HLA-B27 ANA Harnsäure Differenzialdiagnostik Differenzialdiagnosen der Fasciitis plantaris sind: Tumoren (Abb. 2) lokale Infektion Fibromatose Tendinitis der Flexor-hallucis-longus-Sehne Engpasssyndrom des N. tibialis posterior im Sinne eines medialen Tarsaltunnelsyndroms Radikulopathien (L5/S1) Ferner sind systemische Prozesse wie seronegative Spondylarthropathien, traumatische Faszienruptur sowie Stressfrakturen des Kalkaneus als Ursachen möglich. Abb. 2 Beispiel eines Lipoms an der Fußsohle (MRT). Therapie Konservative Therapie Die Fasciitis plantaris heilt in etwa 90 % der Fälle unter konservativer Behandlung aus. Behandlungsmaßnahmen umfassen: mechanische Entlastung durch Einlagen mit Fersenhohllegung Silikonfersenpolster Antiphlogistika (z. B. Cox-2-Hemmer) Physiotherapie mit Dehnung von Achillessehne und Plantaraponeurose Querfriktion Die extrakorporale Stoßwellentherapie wird gewöhnlich im Anschluss an die genannten Therapiemöglichkeiten hochenergetisch angewendet und zeigt insbesondere im Vergleich zur niedrigenergetischen Anwendungsform eine schnellere und nachhaltigere Wirkung bei weniger Anwendungen. Die Stoßwellentherapie kann ohne Lokalanästhesie oder im sog. Fußblock hochenergetisch mit z. B. 3-mal je 3600 Impulse piezoelektrisch mit kleiner Fokuszone im Abstand von 7 Tagen durchgeführt werden. Die Erfolgsquoten werden mit ca. 80 % angegeben und entsprechen somit der operativen Therapie. Die Röntgenreizbestrahlung zeigt ähnlich gute Ergebnisse, ist jedoch mit erhöhter Strahlenbelastung verbunden. Injektionen von Lokalanästhetika und Kortison werden bei Beschwerdepersistenz über mehrere Monate unter sterilen Kautelen durchgeführt. Die Gefahr einer Aponeurosenruptur sowie Atrophie des Fettpolsters muss dabei durch Injektion oberhalb der Faszie vermindert werden. Cave. Eine weitreichende Komplikation der Steroidinfiltration an der Ferse ist die Atrophie des hoch spezialisierten plantaren Fersenfettpolsters mit konsekutiver lebenslanger Invalidität. Operative Therapie Nach Ausschöpfung aller konservativen Maßnahmen und weiterhin bestehenden Schmerzen wird die Indikation zum operativen Vorgehen gestellt. Die operative Therapie besteht in einer Kerbung des medialen Drittels der Plantaraponeurose, meist in offener Technik und häufig mit Dekompression des Baxter-Nervs sowie Resektion großer knöcherner Spornbildungen. Der Zugang kann horizontal an der Grenze zur Sohlenhaut oder schräg in Verlängerung der Hinterkante des Innenknöchels erfolgen, die plantare Inzision der palpatorisch unter Extension angespannten Strukturen ist zwar sehr wirksam, hat jedoch ein hohes Risiko für Verletzungen von Gefäß- und Nervenstrukturen. Die Aponeurosenkerbung ist auch endoskopisch möglich, wobei den Vorteilen eines minimalinvasiven Vorgehens die schlechte Übersicht mit Beschädigung anderer Strukturen und versehentlich kompletter Fasziotomie gegenüber stehen. Bei einem Release von mehr als 50 % muss mit einer Destabilisierung der lateralen Fußsäule mit Kollaps der Längswölbung gerechnet werden. Nachbehandlung. Das postoperative Vorgehen besteht in einer Entlastung über ca. 2 Wochen, dann Vollbelastung im Unterschenkelgips mit modellierter Längswölbung für weitere ca. 3 Wochen. Stützende Einlagen sollten für ca. ein halbes Jahr getragen werden. Bei frühzeitiger Vollbelastung besteht vor allem das Risiko einer verstärkten Narbenbildung im OP Gebiet.

Literatur

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  • 2 Steindler A. Spurs of the os calcis.  Surg Gynecol Obstet. 1938;  66 663-665
  • 3 Seegenschmiedt M H, Attassi M. Radiation therapy for Morbus Ledderhose – indication and clinical results.  Strahlenther Onkol. 2003;  179 847-853
  • 4 Meyerding H W, Shellito J G. Dupuytren's contracture of the foot.  J Int Coll Surg. 1948;  11 595-603
  • 5 Maier M, Dürr H R, Köhler S. et al . Analgesic effect of low energy extracorporeal shock waves in tendinosis calcarea, epicondylitis humeri radialis and plantar fasciitis.  Z Orthop Ihre Grenzgeb. 2000;  138 34-38
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  • 7 Lemont H, Ammirati K M, Usen N. Plantar fasciitis: a degenerative process (fasciosis) without inflammation.  J Am Podiatr Med Assoc. 2003;  93 234-237
  • 8 Hicks J H. The mechanics of the foot. II. The plantar aponeurosis and the arch.  J Anat. 1954;  88 25-30
  • 9 Aviles E, Arlen M, Miller T. Plantar fibromatosis.  Surgery. 1971;  69 117-120
  • 10 Alexander I J, Johnson K A, Shives T C. et al . Aggressive fibromatosis of the plantar aspect of the foot. A case report.  Bull Hosp Jt Dis Orthop Inst. 1987;  47 103-108

Dr. med. Georg Zivko
Dr. med. Hans-Peter Abt

Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Frankfurt am Main
Orthopädische und Traumatologische Fußchirurgie

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