Zeitschrift für Palliativmedizin 2009; 10(4): 176
DOI: 10.1055/s-0029-1244877
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DGHO-Jahrestagung 2009 - Onkologie in Bewegung

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Publication Date:
15 December 2009 (online)

 

Gedanken zur Gemeinsamen Jahrestagung der deutschen, österreichischen und schweizerischen Fachgesellschaften für Hämatologie und Onkologie

Vom 2.-6. Oktober 2009 fand in Mannheim und Heidelberg der diesjährige deutschsprachige Hämatologen- und Onkologenkongress (DGHO) mit ca. 4500 registrierten Teilnehmern statt. Neben einem umfassenden Themenangebot insbesondere zu hämatologischen (eher weniger zu onkologischen) Themen nahmen auch palliativmedizinische Inhalte in diesen Tagen einen relevanten Stellenwert ein. Die dort angeklungenen aktuellen Entwicklungen in der Tumortherapie, Aus-, Fort- und Weiterbildung, Forschung/Wissenschaft und Berufspolitik und ihre möglichen (oder bereits stattfindenden?) Auswirkungen auf die Palliativversorgung insgesamt sollen hier kurz zusammengefasst und reflektiert werden.

Die atemberaubende Entwicklung medikamentöser Tumortherapieoptionen, insbesondere bei Tumorpatienten in inkurablen, fortgeschrittenen Krankheitsstadien, beeindruckte aufgrund der absoluten Anzahl von mittlerweile zugelassenen oder kurz vor der Zulassung stehenden Substanzen. Bemerkenswert sind sie auch aufgrund ihrer im Vergleich zu früheren, konventionellen Vorgehensweisen reduzierten Toxizität der Verschiedenartigkeiten im Wirkmechanismus (und der dadurch unterschiedlichen Wirkungs- und Nebenwirkungsprofile) und aufgrund der zunehmend veränderten Studiendesigns, die als Studienendpunkte mehr und mehr auch die Aspekte von Lebensqualität und Symptomkontrolle konkret mit einbeziehen - und dies bei positiven Wirksamkeitsnachweisen. Molekulargenetische Methoden tragen zunehmend dazu bei, Patienten vor einer potenziell belastenden Chemotherapie sowohl auf ihre Ansprechwahrscheinlichkeit als auch ihre Medikamentenverträglichkeit individuell zu testen, sodass wenig wirksame oder belastende Therapien zunehmend vermieden werden können.

Der Kongress der DGHO fand dieses Jahr in Mannheim (Bild) und Heidelberg statt (Quelle: DGHO e. V.).

Die studentische Ausbildung im Fach Palliativmedizin wurde - nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Entscheidung des Gesetzgebers, Palliativmedizin als Pflichtlehr- und Prüfungsfach in die AppOÄ aufzunehmen - auch im Arbeitskreis Palliativmedizin der DGHO diskutiert; die ärztliche Weiterbildung wird seitens der DGHO auch in Zukunft über die Wilsede Schule bzw. Akademie abgedeckt.

Im Kongressprogramm nahmen palliativmedizinische Themen mit mehreren freien Vorträgen und zwei sehr gut besuchten wissenschaftlichen Symposien einen breiten Raum ein (Themen: Tumoransprechen und klinischer Benefit/F. Strasser, Opioidinduzierte Symptome/M. Kloke, Durchbruchschmerz/I. Strohscheer, Maligner Aszites/W. Freier, Opioidrezeptoren/J. Jage und Notfälle in der Palliativmedizin/B. Alt-Epping). Auf der Posterausstellung waren wissenschaftliche Impulse zu palliativmedizinischen Themen eher selten; lediglich 11 von 897 Postern waren dem Themenkomplex "Palliativmedizin, Psychoonkologie, Rehabilitation" gewidmet (zum Vergleich: auf dem eine Woche später (7.-10. Oktober 2009) in Berlin stattgefundenen Schmerzkongress von DGSS & DMKG waren 20 von 192 Postern der Kategorie "Tumorschmerz und Palliativmedizin" zugeordnet).

Auf die Initiative von Dr. Jan Schildmann (Bochum/Berlin) und Dr. Eva Winkler (München) hin wurde ein neuer DGHO-Arbeitskreis "Medizin und Ethik" ins Leben gerufen, dessen Ziele in der Vernetzung ethisch interessierter Mitarbeiter in der Hämatologie/Onkologie, in der Durchführung ethisch relevanter Forschung, in der Fort- und Weiterbildung, in der Förderung eines ethischen Diskurses innerhalb der Fachgesellschaft bzw. im interdisziplinären Dialog und in der Unterstützung bei der Erarbeitung von Stellungnahmen der Fachgesellschaft zu ethisch relevanten Themen liegen sollen.

Somit wurden in diesen Tagen eine Vielzahl auch palliativmedizinisch geprägter Impulse generiert bzw. erneuert. Die strukturellen Entwicklungen, die palliativmedizinisch relevantes Handeln expliziter als zuvor in die hämatologische/onkologische Versorgung einbeziehen, wie auch die Evolution tumorspezifischer Therapien und ihre Ausweitung bis in den späten Krankheitsverlauf unter patientenzentrierten Zielkriterien, kann auch als eine Bereicherung palliativmedizinischer Handlungsoptionen verstanden und als weiterer Baustein in die Vielseitigkeit der spezialisierten Palliativversorgung integriert werden. Dabei bleibt zu wünschen, dass diese Entwicklung weniger einer Verwässerung oder Zerfaserung von palliativen Behandlungskonzepten Vorschub leistet, als eher einer gegenseitig gewinnbringenden Neupositionierung der Fachbereiche.

Die Onkologie ist in Bewegung - dies ist eine sehr gute Nachricht für Palliativpatienten.

Korrespondenz

Dr. med. Bernd Alt-Epping

Abt. Palliativmedizin

Universitätsmedizin Göttingen

Robert-Koch-Str. 40

37075 Göttingen

Phone: Tel. 0551/391 05 16

Email: bernd.alt-epping@med.uni-goettingen.de

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