Übersicht:
Nach der Liberalisierung des § 175 im Jahr 1969 formierte sich in Deutschland die
Internationale Homophile Welt-Organisation (IHWO) und erlebte mit rund 800 Mitgliedern
eine kurze Blütezeit. Der Beitrag skizziert die Geschichte der IHWO sowie ihres dänischen
Vorbilds und lässt sie als eine Organisation kenntlich werden, die dem Autoritäts-
und Respektabilitätsdenken der Nachkriegszeit stark verbunden war. Mutig und doch
auf Abgrenzung von der aufkommenden Schwulenbewegung bedacht, wurden die Homophilen
bald von den Ereignissen überrollt. So wurde ihre Ablehnung gegenüber Rosa von Praunheims
Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ zum
Anlass massiver Auseinandersetzungen. Letztlich zerbrach die IHWO im Jahr 1974 vor
allem am Anspruch, im Kampf um Anerkennung seriös aufzutreten, und an der Unfähigkeit,
mit den radikaleren Protagonisten der Schwulenbewegung zusammenzuarbeiten.
Schlüsselwörter:
Geschichte der Homosexualität - Homosexuellenbewegung - Internationale Homophile Welt-Organisation
(IHWO) - Schwulenbewegung
Literatur
1 Die provokativ formulierte Frage geht auf eine flapsige Bemerkung zurück, die auf
der letztjährigen Tagung „Ohnmacht und Aufbegehren. Homosexuelle Männer in der frühen
Bundesrepublik“ fiel. Diese Tagung fand vom 11. bis 13. Dezember 2009 in Zusammenarbeit
mit der Initiative Queer Nations und der Bundeszentrale für politische Bildung in
der Akademie Waldschlösschen statt. Im Vorgriff auf einen Vortrag, den ich über die
Geschichte der IHWO halten sollte, erklärte ein Teilnehmer, der zu den erklärten „Veteranen“
der deutschen Schwulenbewegung der 1970er Jahre gehört, ich würde ja später noch ausführlich
auf die „Klemmschwestern von der IHWO“ zu sprechen kommen. R. Wolfert.
2 Im Folgenden stütze ich mich maßgeblich auf die Darstellung zur Geschichte der IHWO
in Wolfert (2009). Bei Zitaten, die nicht aus Büchern oder namentlich gezeichneten
Aufsätzen stammen, verweise ich auf die entsprechenden Zitierstellen aus diesem Buch.
- 1 Dannecker M. Der unstillbare Wunsch nach Anerkennung. Homosexuellenpolitik in den
fünfziger und sechziger Jahren. In: Grumbach D, Hrsg. Was heißt hier schwul? Politik
und Identitäten im Wandel. Hamburg: MännerschwarmSkript Verlag 1997; 27–44
- 2 Eckert A. „Schwul“ ist parlamentsfremd. Sieben Jahre im Abgeordnetenhaus. In: Kraushaar E,
Hrsg. Hundert Jahre schwul. Eine Revue. Berlin: Rowohlt 1997; 179–191
- 3
Elmer M.
Det bli’r taget pis på jer!.
Vennen.
1969;
21
6
- 4
Erlenhardt U.
Die schwule Sau.
Du & Ich.
1970;
2
4
- 5
Koller C.
Überredungsversuch mit dem Holzhammer. Anmerkungen zu einem filmischen Ärgernis.
Him.
1971;
2
32-33
- 6 Rimmele H. „Alle gaben sich tolerant und verständnisvoll.“ Die Berichterstattung
über Schwule in den siebziger Jahren. In: Kraushaar E, Hrsg. Hundert Jahre schwul.
Eine Revue. Berlin: Rowohlt 1997; 130–149
- 7
Rosen W.
Pornografiaffæren i 1955.
Zink.
1999;
4
14-18
- 8 Wolfert R. Gegen Einsamkeit und ‚Einsiedelei‘. Die Geschichte der Internationalen
Homophilen Welt-Organisation (IHWO). Hamburg: Männerschwarm Verlag 2009
R. Wolfert
Torfstr. 12
13353 Berlin
Email: raimund.wolfert@t-online.de