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DOI: 10.1055/s-0030-1251944
Hätten Sie’s gewusst? – Macht Musik nur glücklich – oder auch gesund?
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. April 2010 (online)
Schon die alten Griechen wussten, dass Musik eine ganz besondere Wirkung hat – sie „dopten” ihre Sportler bei Olympia mit Flötenspiel. Doch kann Musik auch heilen? Das fragten wir den Kardiologen und Organisten Prof. Hans-Joachim Trappe aus Herne, der in dieser Frage sogar schon als Referent in die Gemelli-Klinik des Vatikans nach Rom berufen wurde.
Kann man mit Musik Krankheiten heilen?
Prof. Trappe: Sie kann in jedem Fall dazu beitragen, dass Menschen schneller gesund werden. Bei einem Herzinfarkt ist natürlich zunächst die moderne Kardiologie mit Tabletten, Stents und PTCA gefragt. Aber die Musik kann den daran anschließenden Heilungsprozess beschleunigen und verbessern.
Wie wirkt Musik?
Prof. Trappe: Zum einen auf indirektem Weg. Nehmen wir die Risikofaktoren für Arteriosklerose wie Rauchen, hohes Cholesterin und Stress. Indem man Musik hört, unterlässt man viele Dinge, die diese Faktoren befördern. Daneben hat Musik aber auch direkte Effekte: Musik wirkt auf das limbische System im ZNS. Hier werden neurophysiologische Prozesse angestoßen, die zu messbaren Phänomenen im Körper führen. Es gibt randomisierte Studien, die zeigen, dass Musik bei kardiologischen Patienten die Herzfrequenz reduziert, den Kortisolspiegel senkt und Medikamente eingespart werden können. Darüber hinaus hat Musik unglaublich positive Effekte auf Intensivstationen, im Bereich der Schmerztherapie und der Geriatrie. Wenn man Menschen mit einer Alzheimer-Demenz Musik aus ihrer Jugend vorspielt, verbessern sich deren sozialen Kontakte, und sie fangen wieder an, zu reden.
Welche Musik würden sie denn „verschreiben”?
Prof. Trappe: Am ehesten Bach, Mozart und italienische Komponisten. Die bieten wir auch den Patienten in unseren Katheterlaboren an. Es kommt allerdings auf den speziellen Fall an: Wenn Studenten vor Prüfungen ihre Konzentration steigern möchten, sind Klavierkonzerte von Beethoven und Sinfonien von Haydn durchaus zu empfehlen. Für die nötige Entspannung nach dem Lernen haben sich die Goldberg-Variationen von Bach bewährt. Eher abraten würde ich von Vokalmusik. Ein Sopran oder Tenor kann einen erheblich im Nerv treffen. Auch die Sinfonien von Beethoven sind mit Vorsicht zu genießen. Wir haben dazu an unserer Klinik eine Studie laufen. Durch ihre Dramaturgie haben diese Stücke keinen positiven Effekt. Nach leisen Stellen fängt Beethoven dann plötzlich von einem Takt zum anderen an, Krach zu machen. Das eignet sich nicht für therapeutische Zwecke.
Würden Sie denn auch Techno und Heavy Metal verschreiben?
Prof. Trappe: Auf keinen Fall! Wenn Sie Pflanzen damit beschallen, gehen diese ein. Diese Musik macht aggressiv, Blutdruck und Pulsfrequenz steigen, und die Leute werden innerlich nervös. Zudem weiß man, dass Techno und Heavy Metal Herzrhythmusstörungen erzeugen können.
Was spielen Sie, wenn Sie sich selbst „angeschlagen” fühlen?
Prof. Trappe: Wenn es mir wirklich dreckig geht, spiele ich die berühmte Toccata aus der Orgelsinfonie Nr. 5 von Widor oder die Toccata und Fuge in d-moll von Bach – dann fühle ich mich meistens rasch besser.
Grübeln Sie auch über einer Frage, auf die Sie keine Antwort finden? Schicken Sie uns Ihre Frage an: via.medici@thieme.de
Mehr im Artikel „Musik und Gesundheit” von H.-J. Trappe in der DMW unter: … /aktuelles/aktionen/dmw-aktuell.html. Online verfügbar bis zum 21.05.2010