ergopraxis 2009; 02(7/08): 12
DOI: 10.1055/s-0030-1253330
wissenschaft

Ergotherapieausbildung – Berufsanfänger fühlen sich unzureichend vorbereitet

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Publication Date:
26 April 2010 (online)

 

Berufsanfänger sollen nach ihrer Ergotherapieausbildung ihr erworbenes theoretisches und praktisches Wissen verbinden und klientenzentriert anwenden können. Tatsächlich fühlen sie sich aber unzureichend auf den Beruf vorbereitet. Zu diesem Ergebnis kamen die Ergotherapeuten Linda J. Robertson und Sian Griffiths an der Otago Polytechnic University, Neuseeland.

Die Forscher ermittelten anhand einer Literaturrecherche sowohl die Erwartungen der Arbeitgeber als auch die der Arbeitnehmer. Laut Arbeitgeber haben Berufsanfänger ein mangelhaftes Vertrauen in ihre eigenen professionellen Fähigkeiten, zum Beispiel in ihre kommunikativen Fähigkeiten im (inter-) disziplinären Team oder in ihre Problemlösungsstrategien. Berufsanfänger hingegen formulieren Schwierigkeiten beim Wandel von der Studenten- zur Therapeutenrolle sowie fehlendes Selbstvertrauen beim Anleiten von Klienten. Basierend auf diesen Erkenntnissen führten die Forscher drei Fokusgruppen mit Ergotherapeuten durch, welche zwischen 1995 und 2002 ihre Ausbildung an der Universität beendet hatten. Diese beantworteten Fragen wie „Auf welche Art und Weise hat dich die Ausbildung auf das Berufsleben vorbereitet?”. Die qualitative Auswertung ergab folgende Punkte, die den Berufsanfängern in ihrer Ausbildung fehlten: Kommunikationsfähigkeiten, Selbstvertrauen in Bezug auf die Therapeutenrolle sowie die Fähigkeit, theoretisches Wissen in die Praxis übertragen zu können.

Insgesamt scheinen die Berufsanfänger in der Ergotherapie dazu bereit zu sein, ihr Wissen zu erweitern, können dieses aber nur schwer auf konkrete praktische Situationen übertragen. Nach Meinung der Forscher benötigen sie eine konsequente Supervision, um diesen Theorie-Praxis-Transfer zu stabilisieren.

anmü

Kommentar

Die Studie von Linda J. Robertson und Sian Griffiths greift endlich ein Thema auf, mit dem sich Dozenten an Berufsfachschulen für Ergotherapie immer wieder aufs Neue konfrontiert sehen. Sie sollen die Schüler breit gefächert auf das Berufsleben vorbereiten und in einem Spagat sowohl den jeweiligen Lehrplan erfüllen als auch Kompetenzen vermitteln, die über das rein fachtheoretische und fachpraktische Wissen hinausgehen.

Problemlösungsstrategien zu entwickeln erfordert Flexibilität und die Fähigkeit, Transferleistungen auf andere Fachbereiche zu erbringen. Genau das sollte in der Ausbildung eine grundlegende Rolle spielen und durch ein hohes Maß an Reflexions- und Lernbereitschaft der Schüler unterstützt werden. Nur so können sie kommunikative Aspekte sowie die berufliche Identität entwickeln und stabilisieren. Also: Beide Seiten sind hier gefragt. Schüler und Dozenten müssen ihren Beitrag leisten, offen für Veränderungen sein und beispielsweise Unterrichtsstile anpassen. Doch dieses Spannungsfeld zwischen „Lehrplan einhalten” und „Kompetenzen vermitteln” wird wohl immer eine Herausforderung für Dozenten bleiben.

Annette Müller, Ergotherapeutin bc (NL), Dozentin an einer Berufsfachschule für Ergotherapie

BJOT 2009; 72: 125–132

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