Pädiatrie up2date 2011; 6(4): 391-411
DOI: 10.1055/s-0030-1257035
Varia

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Mundgesundheit bei Kindern – Wichtiges für den Pädiater

Johannes  Einwag
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
21. Dezember 2011 (online)

Einleitung

„Karies – die epidemiologisch bedeutsamste Erkrankung der Mundhöhle im Kindesalter – ist vermeidbar!“ (Abb. [1])

Die theoretischen Voraussetzungen hierfür sind seit langem bekannt und formuliert als die klassischen Säulen der Kariesprophylaxe.

Säulen der Kariesprophylaxe

  • zahngesunde Ernährung

  • effiziente Mundhygiene

  • regelmäßige Fluoridanwendung

  • Fissurenversiegelung

Abb. 1 Naturgesundes Milch- und Erwachsenengebiss.

In der Praxis ergeben sich jedoch bei der Umsetzung entsprechender Vorschläge mitunter erhebliche Probleme, da – mit Ausnahme der Fissurenversiegelung – die Wirksamkeit der genannten Maßnahmen und somit der Mundgesundheitszustand entscheidend von der Mitarbeit des Patienten bzw. seiner Eltern oder/und Bezugspersonen abhängig ist.

Merke: Zahngesundheitsbewusstes Verhalten ist nicht angeboren, sondern muss erlernt werden.

Gesundheitsbewusstsein

Voraussetzung hierfür ist eine möglichst früh einsetzende tägliche Konfrontation mit diesem Thema. Diese Anerziehung eines „Zahnbewusstseins“ oder „Zahngewissens“ erfolgt am besten im Kleinkind- und Kindergartenalter. Eine erst bei Jugendlichen und Erwachsenen einsetzende präventive Betreuung führt nur in seltenen Fällen zu einer dauerhaften Verhaltensänderung. Verhaltensweisen, die in früher Kindheit erworben werden, sind später sehr änderungsresistent, gleichgültig, ob es sich um gesundheitsgerechtes oder gesundheitsriskantes Verhalten handelt.

Gruppenprophylaxe Durch regelmäßige Zahnputzübungen zu Hause und im Kindergarten/der Grundschule (die Gruppenprophylaxe ist seit nunmehr fast 3 Jahrzehnten in Deutschland flächendeckend etabliert), durch spielerisches, kindgerechtes Hinführen an die Thematik wird zahnbewusstes Verhalten im Sinne eines alltäglichen Rituals zu Hause bzw. einer sozialen Norm regelrecht eingefahren und somit letztlich zur selbstverständlichen Gewohnheit. Die Frage nach dem „Warum Mundhygiene?“ wird auf diese Weise eindeutig beantwortet: „Weil es alle tun!“. In diesem Zusammenhang sind – als pädagogisch bedeutendste Bezugspersonen – insbesondere Eltern und Erzieher gefordert. Zahnärzte Die Verantwortung der Zahnärzte/ihrer Prophylaxeassistentinnen liegt im Wesentlichen in der Vermittlung des fachlichen Know-how, d. h. des wie und womit. Wenn Kinderärzte und Hebammen unterstützend tätig sind, hat sich dies als sehr hilfreich bewährt. Als wesentliche Voraussetzungen für den Erfolg müssen in diesem Zusammenhang folgende Faktoren angesehen werden. Kooperation. Zahnarzt, Zahnarzthelferin, Kinderarzt, Hebamme auf der einen und Eltern, Erzieher und Lehrer auf der anderen Seite arbeiten konstruktiv zusammen. Die Vorbildfunktion von Eltern, Erziehern und Lehrern ist bei Vor- und Grundschulkindern von enormer Bedeutung. Nur bei Harmonie der Auffassungen dieser wichtigen Bezugspersonen um die Bedeutung der Zahngesundheit kann sich der Nutzen der Prophylaxe voll entfalten; Disharmonien führen hingegen zu einer Minderung der Effizienz. Ein Positiv-Beispiel wären gemeinsame Aktivitäten, wie z. B. Elternabende, Zahnputzwochen etc. Koordination der Tätigkeit. Die Ausführenden sprechen eine Sprache. Ein Negativ-Beispiel wäre, wenn sich Zahnärzte/Ärzte für Fluorid aussprechen und Erzieherinnen dagegen. Kontinuität. Die Durchführung der Maßnahmen sollte während der gesamten Kindergarten- und Grundschulzeit gewährleistet sein! Beispiel für Kontinuität der Erziehung Einmal jährlich stattfindende Untersuchungen bewirken wenig, regelmäßige Zahnputzübungen, regelmäßige Hinweise auf zahngesunde Ernährung und Fluoridanwendung sind angezeigt. Dies kann nur in Zusammenarbeit mit den Eltern und Erziehern sichergestellt werden. Erzieher und Lehrer sind in dieser Altersgruppe enorme Vorbilder! Kompetenz ist auf zahnärztlicher wie pädagogischer Seite erforderlich. Optimal ist, wenn jeder die Fachkompetenz des anderen akzeptiert. Als Negativ-Beispiel kann man folgendes anführen: eine engagierte Lehrerin berichtet darüber, wie schwer Verhaltensänderung bei Erstklässlern zu bewirken sei. Sie habe „ein halbes Jahr gebraucht, um die Kinder vom Schulbrot mit Nutella auf Schulbrot mit Honig umzustellen“.

Prof. Dr. Johannes Einwag

Zahnmedizinisches Fortbildungszentrum ZFZ Stuttgart

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