Allgemeine Homöopathische Zeitung 2011; 256(1): 14-15
DOI: 10.1055/s-0030-1257567
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Das Repertorium und der § 153

Serie: Das Repertorium verstehenAnne Sparenborg-Nolte
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Publication Date:
02 February 2011 (online)

Kurz gefasst besagt der § 153 im Organon, dass ein Symptom, das auffallend, sonderlich, ungewöhnlich und charakteristisch ist, ausschlaggebend für die Wahl der homöopathischen Arznei sein soll. Aber was ist auffallend, ungewöhnlich oder charakteristisch? Pathognomonische Symptome und weit verbreitete Allgemeinsymptome gehören nicht in diese Kategorie.

Wenn z. B. ein Patient mit einer sozialen Angststörung vor einer mündlichen Prüfung sehr aufgeregt ist, mag das zwar ein ausgeprägtes Symptom sein und die Prüfung aufs Spiel setzen, aber es ist trotz seiner starken Ausprägung bei dieser Diagnose kein §-153-Symptom. Das gilt beispielsweise auch für den mitunter sehr starken, quälenden Juckreiz bei einer Neurodermitis.

Ausgeprägt und auffallend sind nicht gleichzusetzen. Auffallende und ungewöhnliche Symptome finden sich eher in der Gruppe der wenig ausgeprägten Nebensymptome des Patienten.

Leitsymptome. Solch ungewöhnliche Symptome finden sich oft nicht unter den sog. Leitsymptomen der Arzneien. Leitsymptome sind von mehreren Prüfern in einer Prüfung produzierte und klinisch verifizierte Symptome. 3- und 4-wertige Symptome im Repertorium sollten Leitsymptome für das jeweilige Mittel sein, z. B. Verlangen nach Salz und Durst bei Phosphorus oder bei Natrium muriaticum. Solche Symptome, selbst die Kombination beider, sind jedoch nicht als §-153-Symptom anzusprechen.

Seltenheit. §-153-Symptome sind selten im doppelten Sinne: Nicht nur, dass sie als Symptom selten vorkommen, sondern auch, dass es viele Anamnesen gibt, in denen kein §-153-Symptom vorkommt. Ein solches Symptom taucht nicht immer gleich zu Anfang auf, sondern wird irgendwann ganz beiläufig erwähnt. Der Patient denkt sich überhaupt nichts dabei, aber der Homöopath sitzt da wie vom Donner gerührt – jedenfalls der Homöopath, der sich mit der Bewandtnis des § 153 auskennt. Dieses Symptom bezieht sich oft nicht auf die Hauptbeschwerde des Patienten, mehr noch, es ist noch nicht einmal im engeren Sinn pathologisch, sondern eben ungewöhnlich, selten.

Kleine Rubriken. Im Repertorium wird ein §-153-Symptom nicht in den großen oder mittleren Rubriken zu finden sein. Es sind vielmehr die kleinen Rubriken, die hier infrage kommen. Doch Vorsicht! Der Umkehrschluss, dass kleine Rubriken immer §-153-Symptome enthalten, ist ganz und gar nicht zutreffend.

Für die Fallanalyse über ein §-153-Symptom ist das Repertorium eine „conditio sine qua non”.

Diese Art Symptome kann man in ihrer vielfältigen Erscheinungsform unmöglich alle im Kopf haben.

Dr. Anne Sparenborg-Nolte

Alter Kirchhainer Weg 5

35039 Marburg/Lahn

Email: anne@sparenborg.com

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