Allgemeine Homöopathische Zeitung 2011; 256(2): 18-19
DOI: 10.1055/s-0030-1257589
Spektrum
© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Selbstverletzung

Serie: Das Repertorium verstehenAnne Sparenborg-Nolte
Further Information

Publication History

Publication Date:
12 April 2011 (online)

Formen des selbstverletzenden Verhaltens

Ritzen

Vor allem bei Jugendlichen findet sich gelegentlich selbstverletzendes Verhalten, wie z. B. das Ritzen. Dabei fügen sich die Jugendlichen, meist Mädchen im Alter zwischen 11 und 17 Jahren, Hautwunden zu, die mit einem Messer, einer Schere, einer Rasierklinge oder einem anderen scharfen Gegenstand in die Haut geritzt werden. Manchmal sind diese Wunden nur sehr oberflächlich und sehen aus wie Schrammen oder Kratzer, die Verletzung reicht jedoch auch bis zu tiefen Schnittwunden, die genäht werden müssen. Meistens werden die selbst verursachten Wunden versteckt oder zumindest nicht freiwillig gezeigt. Es kommt auch vor, dass Buchstaben, Namen oder Symbole eingeritzt werden.

Ritzen ist ein Symptom und keine Diagnose. Die dahinterstehenden Gründe und Diagnosen sind vielfältig und reichen von der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) über die Bindungsstörung und die Borderlinestörung bis zum histrionischen Agieren („Hysterie”). In jedem Fall deutet es auf erhebliche innere Spannungen hin, denen auf diese Weise ein Ventil nach außen geschaffen wird. So beschreiben die Jugendlichen den Schmerz, den Anblick oder das Gefühl des fließenden Blutes als entlastend für ihren inneren Zustand. Der nach außen demonstrierte Leidensdruck kontrastiert oft merkwürdig mit der Gleichgültigkeit, mit der die Patienten über ihr Ritzen sprechen. Ritzen kann auch ansteckend sein in dem Sinne, dass Jugendliche sich das Symptom voneinander abgucken.

Schlagen

Eine andere Form der Selbstverletzung ist das Schlagen, z. B. der Hand oder des Kopfes gegen die Wand, aber auch das Sichschlagen. Das Kopfanschlagen im Kleinkindalter (Jaktationen) hat meist eine gute Prognose, da es sich innerhalb der nächsten Jahre von selbst wieder verliert. Aus homöopathischer Sicht kann dieses Symptom, auch wenn es nur flüchtig bestanden hat, mitunter für die Mittelfindung wichtig sein. Tritt das Kopfanschlagen jedoch erst in der Pubertät auf, hat es eine ähnliche Bedeutung wie das Ritzen. Dies gilt ebenso für das Anschlagen der Hand an die Wand, das zu Frakturen führen kann. Das Sichschlagen (Gesicht, Kopf, Bauch, Brust) kann in allen Altersgruppen auftauchen und ist ein Zeichen gegen sich selbst geleiteter Wut. Tritt dieses Symptom noch im Erwachsenenalter auf, ist es ein Symptom einer Borderlinestörung oder einer PTBS.

Selbstmordversuch

Der Selbstmordversuch ist nicht zu den selbstverletzenden Verhaltensweisen im engeren Sinne zu zählen. Auch wenn die dahinterstehenden Diagnosen die gleichen wie beim Ritzen oder Sichschlagen sein können, handelt es sich um einen anderen Sachverhalt. Patienten, die sich selbst verletzen/ritzen/schlagen, sind nicht unbedingt suizidal.

Dr. Anne Sparenborg-Nolte

Alter Kirchhainer Weg 5

35039 Marburg/Lahn

Email: anne@sparenborg.com

    >