Einleitung: Die Prävalenzangaben von chronischen Erkrankungen älterer Menschen basieren häufig
auf epidemiologischen Daten, die auf Querschnitts-Designs beruhen. Liegen den Häufigkeitsangaben
Zeitverläufe zugrunde, werden Teilpopulationen (bspw. Gruppen von Menschen ≥75 Jahre)
über die Zeit betrachtet, nicht aber dieselben Individuen. Das ist sowohl bei Routinedaten
der Krankenkassen als auch bei Surveydaten aus Bevölkerungsbefragungen der Fall. Die
Entwicklung der Prävalenzen chronischer Erkrankungen in Panel-Designs wurde bisher
nicht untersucht. Dies ist aber von großer Bedeutung, um die Reliabilität/Validität
sowohl der Zeitreihen als auch der Querschnittsdaten einschätzen zu können. Methoden: In der versorgungsbasierten AgeCoDe-Kohorte des Kompetenznetz Degenerative Demenzen
(KNDD) dokumentierten Hausärzte die Morbidität von KHK, Insult, Diabetes sowie peripherer
arterieller Verschlusskrankheit (paVK) über drei Zeitpunkte und einen Untersuchungszeitraum
von 4,5 Jahren. Von 2033 Patienten im Alter von 79 bis 97 Jahren lag zu diesem Zeitpunkt
eine vollständige Dokumentation vor. Für diese Patienten bildeten wir Morbiditätsverlaufsmuster
und analysierten die Faktoren, die zu einem Verlust der chronischen Erkrankungen bzw.
Erkrankungskomplexe in der Dokumentation im Zeitverlauf führten. Ergebnisse: Drei Muster der Dokumentation sind zu erkennen: Erkrankung im Zeitverlauf stabil
vorhanden, Erkrankung im Zeitverlauf verloren, Erkrankung im Zeitverlauf fluktuierend.
Bei Diabetes gehen 16%, bei kardialen Ereignissen 29%, bei vaskulären Ereignissen
42% und bei paVK rund 44% der Erkrankungsfälle in der ärztlichen Dokumentation im
Zeitverlauf wieder verloren. Männer haben ein verringertes Risiko, die dokumentierte
KHK wieder zu verlieren (OR 0,44). Bei den vaskulären Ereignissen sind es Demenzkranke,
die ein erhöhtes Risiko haben, das die Erkrankung aus der Dokumentation verschwindet.
Diskussion: Solche Verluste in der Dokumentation sind nicht auf die hier vorgestellte Primärerhebung
begrenzt. Auch in den Routinedaten der Gmünder ErsatzKasse lassen sich solche Verlustraten
belegen. Möglichkeiten und Grenzen, die Validität/Reliabilität der Prävalenzangaben
zu verbessern, werden vorgestellt. Mögliche Konsequenzen in der Versorgungswirklichkeit
werden diskutiert.