Hintergrund: Die sog. Morbiditätsbezogene Gesamtvergütung vertragsärztlicher Leistungen hat u.a.
Änderungen des Umfangs vertragsärztlicher Leistungen auf Grund von Verlagerungen zwischen
dem stationären und dem ambulanten Sektor zu berücksichtigen (§87a Abs.4 Nr.3 SGB
V). Ziel eines Gutachtens war es, das Verlagerungsproblem konzeptionell zu strukturieren
sowie Datenquellen und Modelle für eine Schätzung des Verlagerungseffektes zu prüfen.
Material und Methoden: Recherchen zur Definition primärer und sekundärer Verlagerungseffekte, zur sektorübergreifenden
Nutzbarkeit von unterschiedlich gegliederten Routinedatenquellen, zur Abgrenzung verlagerungsfähiger
Leistungsgruppen und kleinräumiger Versorgungsregionen sowie zur Spezifikation von
Schätzmodellen. Ergänzend wurden Experten zu ihren Erfahrungen mit sektoralen Leistungsverlagerungen
befragt. Ergebnisse: Das Problem wird als sektorübergreifende Verlagerung eines Marktgleichgewichts postuliert.
Zur Quantifizierung der Verlagerungen von Marktgleichgewichten und ihrer Determinanten
in Zeit und Raum bieten sich Mehrgleichungsmodelle (2SLS) an. Sie berücksichtigen
auch Aktivitäten des einen Sektors als Einflussgröße des jeweils anderen. Leistungen,
die untereinander in stationär-ambulanter Substitutionsbeziehung stehen, sind als
Liste verlagerungssensitiver Indikationen von den Vertragspartnern zu definieren (ausgehend
von Caminal et al. 2004). Funktionelle regionale Märkte können indikationsspezifisch
durch vierstellige PLZ abgegrenzt werden. Kassen und KVen müssen dafür versichertenbezogene
Daten in regionaler Gliederung aus allen Sektoren bereitstellen (§87a Absatz6 SGB
V). Deren wechselseitige Passfähigkeit ist nicht hinreichend untersucht. Die Experten
nannten als verlagerte Leistungen u.a. Wundmanagement und Gerinnungsmanagement. Diskussion: Der Kompensationsanspruch der Vertragsärzte für verlagerte Leistungen führt nicht
zu einer Risikoteilung an der Schnittstelle. Damit wird das Risiko der sektoralen
Leistungsverlagerungen auf die Krankenkassen übertragen. Die Beeinflussung der Versorgung
durch Schnittstellenmanagement, die Sicherstellung von qualitäts- und kostenoptimierten
Versorgungsketten sowie eine ganzheitliche Betreuung der Versicherten werden für die
Krankenkassen zunehmend wichtiger. Es lassen sich Verlagerungseffekte qualitativ plausibel
darlegen, bisher aber nicht quantifizieren und von anderen Einflüssen auf die ambulant
zu versorgende Morbidität (z.B. Umbau ambulanter und stationärer Versorgungskapazitäten,
regionaler Versorgungsstrukturen und Leistungsdichten) klar abgrenzen.