Hintergrund: Mit der Einführung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA)
zum 01. Januar 2009 wurden Befürchtungen geäußert, dass hierdurch Anreize zum Upcoding
(ungerechtfertigtes Kodieren von Diagnosen) bzw. Right-Coding („Nachbessern“) von
Diagnosen gesetzt werden. Da die Dokumentation von bestimmten Erkrankungen durch die
ärztlichen Leistungserbringer Zuweisungen aus dem Gesundheitsfond an die Krankenkassen
auslösen können und bis dato keine Kodierrichtlinien für den ambulanten Bereich vorliegen,
wird ein hohes Up- bzw. Right-Coding-Potenzial für Diagnosen aus dem ambulanten Bereich
gesehen. Systematische Untersuchungen zu möglichen Auswirkungen des Morbi-RSA auf
das Kodierverhalten liegen bislang nicht vor. Material und Methoden: Die im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich 2009 berücksichtigten Diagnosen
und Aufgreifkriterien wurden zum 30. September 2008 bekannt gegeben. Anhand der Daten
der GKV-Vollerhebung (70 Mill. Versicherte) aus dem Jahr 2007 und 2008 wurden zeitliche
Trends bei der Häufigkeit von gesicherten Diagnosen (Zusatzkennzeichen „G“) aus der
vertragsärztlichen ambulanten Versorgung untersucht. Ergebnisse: Über alle Diagnosen und auf Kalenderjahrebene aggregiert fand sich zwischen 2007
und 2008 ein Anstieg der gesicherten Diagnosen um 6%. Deutliche Anstiege fanden sich
bei folgenden Erkrankungen: Dialysepflichtige Niereninsuffizienz (+ 35%), Spinalkanalstenose
(+20%), Diabetes mit renalen Manifestationen (+17%), Atherosklerose mit Ulkus oder
Gangrän (+17%), Lymphknotenmetastasen (+16%), Erkrankungen der Speiseröhre (+16%),
Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (+14%), Demenzerkrankungen (+13%), Pathologische Frakturen
(+12%) und Stoffwechselstörungen (+12%). Besonders auffallend war die Zunahme des
ICD-Codes Z49.1 (Extrakorporale Dialyse) zwischen dem 4. Quartal 2007 (n=20.998) und
dem 4. Quartal 2008 (n=46.396) um über 120%. Schlussfolgerungen: Bereits wenige Monate nach Bekanntgabe der im morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich
berücksichtigen Krankheiten ist für einzelne, besonders kostenintensive Erkrankungen
ein Anstieg der Diagnosehäufigkeit zu verzeichnen. Ob es sich dabei um „Upcoding“
bzw. „Rightcoding“-Phänomene oder der Schließung von Erfassungslücken handelt, kann
noch nicht abschließend beurteilt werden. Insgesamt sind aber die Veränderungen über
alle Diagnosen betrachtet moderat. Im Rahmen der Präsentation sollen weitergehende
Analysen (Poisson-Regression, Joinpoint-Analyse) unter Berücksichtigung zusätzlicher
Parameter (Arzneimittelverordnungen, sektorale bzw. regionale Unterschiede) vorgestellt
werden.