ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2010; 119(9): 446-447
DOI: 10.1055/s-0030-1267335
Colloquium

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

Sofortimplantationen – Hart- und Weichgewebeerhalt im Bereich eines Oberkiefer-Prämolaren

Further Information

Publication History

Publication Date:
22 September 2010 (online)

 

Ein mesio-distal verlaufender Frakturriss des Zahnes 24 und die damit verbundene Nichterhaltungsfähigkeit veranlasste die 48-jährige Patientin mit einer unauffälligen Allgemeinanamnese sich vorzustellen. Der überweisende Hauszahnarzt bat um Insertion eines Implantats, da die Patientin aufgrund natürlicher, nicht mit Restaurationen versehener Nachbarzähne eine Brückenversorgung nicht in Betracht zog.

Im röntgenologischen Befund (Abb. [1]) stellte sich die knöcherne Ausgangssituation des Prämolaren, von einer wenig imponierenden apikalen Aufhellung abgesehen, ohne Besonderheiten dar. Der klinische Ausgangszustand des mit einem Kunststoffprovisorium versehenen Zahnes zeigte stabile Weichgewebeverhältnisse im vestibulären und interdentalen Bereich. Aufgrund einer leicht lückigen Zahnstellung waren mesial und distal des Prämolaren 24 keine Papillenspitzen vorhanden. Die Befundung von okklusal ergab vestibulär einen gut ausgeformten, nicht defizitären Alveolarkammabschnitt. Mit der Patientin wurde die Frage eines Provisoriums post extractionem erörtert. Sie entschied sich jedoch gegen jegliche provisorische Versorgung zur Überbrückung der Osseointegrationsphase.

Abb. 1 Apikalaufnahme des frakturierten Zahnes 24 vor der Implantation.

Nach vestibulärer und oraler Infiltrationsanästhesie wurde im 1. Schritt der Zahn 24 atraumatisch, d. h. ohne Lappenbildung, ohne Osteotomie und ohne die Anwendung von Zangen oder Hebeln im Bereich der vestibulären Hart- und Weichgewebe, aus seiner Alveole entfernt. Die Alveole wurde im apikalen Bereich kürettiert und anschließend mittels einer Parodontalsonde auf Fenestrationen und Dehiszenzen untersucht. Die intraoperative Inspektion der Alveole ergab keine Hinweise auf knöcherne Defizite, weshalb die Alveole als intakt und für die Sofortimplantation geeignet eingeschätzt wurde. Nach maschineller und manueller Aufbereitung der Implantatkavität wurde ein schraubenförmiges Implantat mit geätzter und gestrahlter Oberfläche und konischer Innenverbindung des Durchmessers 3,5 mm und der Länge 14 mm (ANKYLOS® plus A14, DENTSPLY Friadent, Mannheim) dergestalt inseriert, dass die Implantatschulter vestibulär 1 mm apikal der Alveolenwand zu liegen kam. In vestibulo-oraler Richtung war das Implantat nach oral orientiert, um einen Spalt zwischen Implantat und knöcherner Alveolenaußenwand zu erzeugen (Abb. [2]). Der vestibuläre Spaltraum und der kleinere verbliebene orale Spalt wurden nicht kondensierend mit xenogenem Knochenersatzmaterial aufgefüllt. Da die Patientin keine provisorische Versorgung wünschte, wurde das Knochenersatzmaterial auch krestal der Implantatschulter platziert. Zur Abdeckung des Knochenersatzmaterials zur Mundhöhle hin wurden 2 Lagen eines resorbierbaren Gelatineschwamms eingebracht und mit je einer horizontalen, transalveolären Kreuznaht in Position gehalten (Abb. [3]). Ein post implantationem angefertigtes Orthopantomogramm zeigte das subkrestale, achsengerecht inserierte Implantat. Der Patientin wurden postoperativ Clindamycin, Ibuprofen und Chlorhexidindigluconat verabreicht. Nach 1 Woche wurden die Nähte entfernt, und die letzte Wundkontrolle erfolgte 8 Wochen nach Implantation. Zu diesem Zeitpunkt war die per secundam intentionem geheilte Alveole komplett verschlossen und epithelialisiert.

Abb. 2 Subkrestal inseriertes, nach oral versetztes ANKLYOS®-plus-Implantat mit Durchmesser 3,5 mm.

Abb. 3 Mit 2 nahtgestützten Gelastineschwämmen abgedeckter Krestalanteil der Alveole.

Knapp 6 Monate nach der Sofortimplantation wurde das Implantat freigelegt. Nach einer Stichinzision mit einer Parodontalsonde wurde durch den Stichkanal die Abdeckschraube aus dem Implantatkopf mit einem links drehenden Dorn entfernt. Nach Spülung des Stichkanals und des Implantatinneren mit Chlorhexidindigluconat wurde ein Sulkusformer eingeschraubt. Der nach der Freilegung angefertigte Zahnfilm zeigte ein röntgenologisch osseointegriertes Implantat mit Knochenbildung mesial und distal ca. 3 mm krestal der Implantatschulter (Abb. [4]). Die Patientin wurde zum Hauszahnarzt zurücküberwiesen, der in den darauf folgenden Wochen einen Pfosten aus Zirkondioxid (ANKYLOS® CERCON® Balance C, DENTSPLY Friadent) einsetzte und eine vollverblendete Krone basierend auf einem Zirkondioxid-Gerüst darauf befestigte.

Etwas mehr als 2 Jahre nach Einsetzen der Suprastruktur, also knapp 3 Jahre nach der Sofortimplantation, stellte sich die Patientin wegen einer anderen Fragestellung wieder vor. Zwei zu diesem Zeitpunkt, vom Hauszahnarzt aus unterschiedlichen Projektionsrichtungen erstellte Zahnfilme des Implantats in regio 24 zeigten stabile knöcherne Verhältnisse (Abb. [5]). Im Vergleich mit dem bei der Freilegung erstellten Zahnfilm (Abb. [4]) waren keine Hinweise von Knochenabbau zu sehen. Das knöcherne Niveau lag weiterhin deutlich krestal der Implantatschulter. Klinisch war in der okklusalen Ansicht ein gut erhaltener Alveolarkamm auf der vestibulären Seite erkennbar. Die Ansicht von vestibulär zeigte ebenfalls stabile Verhältnisse im Bereich der approximalen Papillen und am vestibulären Mukosarand (Abb. [6]). Gegenüber der Ausgangssituation vor Sofortimplantation waren keine Weichgewebeverluste erkennbar.

Abb. 4 Zahnfilm nach Freilegung und Aufschrauben eines Sulkusformers 5,5 Monate nach Sofortimplantation.

Abb. 5 Zahnfilm mit Implantatapex 3 Jahre nach Sofortimplantation.

Abb. 6 Stabile Weichgewebesituation von vestibulär 2 Jahre nach Eingliederung der Suprastruktur und 3 Jahre nach Implantation (Prothetik: ZA Frank Kirstein, Pullach; Zahntechnik: ZTM Christina Thurner, München).

Der Autor bedankt sich bei ZA Frank Kirstein, Pullach, für die Durchführung der prothetischen Versorgung. Der Zahnersatz wurde von ZTM Christina Thurner, esthetic concept GmbH, München, gefertigt.

Korrespondenzadresse

Dr. Dietmar Weng

Praxis für Zahnheilkunde Böhm & Weng

Maximilianstr. 17

82319 Starnberg

Email: dw@max-17.de

    >